Wo hast Du Dein Praktikumssemster angefangen?
Yesmine N'sir: Mein Praktikum habe ich in Marseille, bei dem Träger "Eurocircle" für leider nur 2 Wochen angefangen. Die Einrichtung wurde in Berlin als europäische Konföderation unabhängiger Projektträger aus dem Sozial-, Bildungs- und Beschäftigungsbereich gegründet. Einer der Schwerpunkte liegt in der Förderung von Mobilität junger Menschen sowie im interkulturellen Austausch/Dialog.
Was waren deine Aufgaben dort?
Yesmine N'sir: Der Verein Eurocircle Marseille ist in verschiedene Bereiche/Büros unterteilt, die jeweils unterschiedliche Schwerpunkte haben. Ich war im Büro "Deutsch-Französische Beziehung", wo ich das Projekt "IDA-Integration durch Austausch" mitbetreut habe. Bei diesem Projekt wird jungen Menschen aus Deutschland, denen der Zugang zum Ausbildungs- und Arbeitsmarkt erschwert ist, die Möglichkeit geboten, mit Vor- und Nachbereitung einen 2-monatigen Auslandsaufenthalt in Marseille zu erleben. In dieser Zeit helfen wir den Teilnehmer_innen einen Praktikumsplatz zu finden, der ihren Interessen entspricht, begleiten sie zu den Vorstellungsgesprächen und erstatten Besuche am Praktikumsplatz, um auch ein Feedback von der oder dem Anleiter_in zu bekommen. Außerdem kriegen die Teilnehmer_innen eine Unterkunft von Eurocircle zu Verfügung gestellt, sowie wöchentliche Französisch-Kurse, bei denen ich assistieren konnte. Ich habe auch an den regelmäßigen Feedback-Runden mit den Teilnehmer_innen und dem EurocircleTeam teilgenommen.
Wie war die Situation vor Ort? Wie wurde mit der Corona-Krise umgegangen?
Yesmine N'sir: Ich muss sagen, dass ich in meinem 3-wöchigen Aufenthalt in Marseille erst ganz zum Schluss Veränderungen im Alltag verspürt habe. Obwohl in anderen Ländern schon "Hamstereinkäufe" gemacht und Maßnahmen getroffen wurden, herrschte in Südfrankreich ganz normaler Alltag und Gelassenheit. Erst, als der Präsident seine Ansprache gehalten hat, in der er erklärte, dass nun Maßnahmen, wie die Schließung von Geschäften, Cafés, Freizeit- und Sporteinrichtungen, etc. getroffen werden, hat die Stadt und Frankreich allgemein die Situation ernster genommen. Nur ein Tag nach dieser Ansprache waren die Supermärkte doppelt so voll und die Regale halbleer, wie am Vortag. Den Alltag in Frankreich während der Ausgangssperre habe ich glücklicherweise nicht miterleben müssen, da ich kurz davor nach Deutschland eingereist bin.
"An dem Abend war dann für mich klar, dass ich vor der Grenzschließung schnell nach Deutschland zurück muss."
Wann hast Du erfahren, dass Du wieder nach Deutschland zurückkehren musst?
Yesmine N'sir: Mit der Schließung vieler Einrichtungen musste auch meine Praktikumseinrichtung Eurocircle schließen. Alle Mitarbeiter_innen wurden am 14.03.2020 gebeten, ab kommender Woche zu Hause zu bleiben und im Home Office zu arbeiten. Den Praktikant_innen und den Freiwilligenbediensteten wurde freigestellt, ob sie zurück nach Hause fahren oder erstmal in Marseille bleiben wollen. Mit meinem Chef habe ich geklärt, dass mein Praktikum bis auf weiteres erstmal unterbrochen ist, denn Home Office hätte für mich keinen Sinn gemacht, da ich erst seit 2 Wochen in der Einrichtung war und somit kaum meine Einarbeitungsphase beendet hatte. Außerdem war die Arbeit, aufgrund der vielen durch Corona abgesagten Projekte, schon so knapp für die angestellten Kolleg_innen. Da hätte ich als Praktikantin keine wirklichen Aufgaben mehr gehabt. Für mich stellte sich also die Frage, ob oder wie lange ich noch in Marseille bleiben wollte, da klar war, dass sich die Situation nicht schnell bessern würde. Einen Tag später, am 15.03.2020, wurde sowohl von der französischen, als auch der deutschen Regierung eine Ansprache gehalten, in der weitere Maßnahmen, wie die Schließung der Grenzen ab dem 16.03.2020 und die Ausgangssperre und das Kontaktverbot angekündigt wurden. An dem Abend war dann für mich klar, dass ich vor der Grenzschließung schnell nach Deutschland zurück muss, also am nächsten Morgen (16.03.2020). Ich wollte nämlich nicht unter diesen Umständen, mit der angekündigten Ausgangssperre und dem nicht sehr guten Gesundheitssystem in Frankreich, in meiner kleinen Unterkunft, wo ich alleine gewohnt habe, bleiben. Um dem zu entkommen und keinen chaotischen und eingeschränkten Zugverkehr nach der Grenzschließung zu riskieren, habe ich am Abend der Ansprache direkt ein Zugticket für den 16.03. nach Berlin gebucht. Somit blieben mir nur ein paar Stunden um meine Sachen zu packen, die Vermieterin zu informieren und mich von ihr zu verabschieden, sowie meine Unterkunft sauber und ordentlich zu hinterlassen. Während meiner Heimreise ist zum Glück alles reibungslos verlaufen und ich bin ganz nach Plan in Berlin angekommen. Es war anscheinend die beste Entscheidung, am 16.03. nach Deutschland zu fahren, denn ein deutscher Kollege von meiner Praktikumsstelle ist erst 1-2 Tage nach der Grenzschließung heimgefahren und er erlebte das komplette Chaos. Der Zug ist nicht über die deutsche Grenze gefahren, es musste auf einen Ersatzzug gewartet werden, die Züge waren überfüllt, was während einer Pandemie nicht gerade das Beste ist, es musste oft umgestiegen werden, etc.
Wie ging es nach Deiner Rückkehr für Dich weiter?
Yesmine N'sir: Da die Situation in Frankreich schlimmer ist, als in Deutschland und es nicht so scheint, als würde ein normaler Alltag bald möglich sein, kann ich auch mein Praktikum erstmal nicht fortsetzen. Deshalb studiere ich dieses Semester online weiter und schaue dann, in welches Semester ich mein Praktikumssemester am besten verschieben kann. Meine Praktikumseinrichtung heißt mich zumindest zu einem späteren Zeitpunkt, nach Corona, gerne erneut willkommen.
Yesmine N'sir studiert Soziale Arbeit im 6. Semester an der ASH Berlin.