Aufmacher, Seitenwechsel Wechselseitige Impulse für die Gestaltung nachhaltiger Zukunftsperspektiven

Im Juni 2024 fand der 2. ASH-Alumnitag statt. Die Organisatorinnen trafen Alumnus Marijo Zupanovic zu einem aufschlussreichen Feedbackgespräch..

Alumni sitzen in einem Seminarraum beisammen und unterhalten sich.
Beim 2. Alumnitag kamen im Juni 2024 unterschiedliche Akteur_innen mit einander ins Gespräch.

Am 20. Juni 2024 fand an der ASH Berlin der 2. Alumnitag mit 19 Alumni statt, auf diesem konnten Hochschulmitglieder und Absolvent_innen austauschen und die Verbindung stärken. Nach einem Grußwort der Prorektorin Prof. Dr. Gesine Bär diskutierten die Teilnehmenden die von Kerstin Miersch, Alumnimanagerin der Hochschule, vorgestellte Alumnistrategie der ASH Berlin und gaben Impulse zur Weiterentwicklung. Im Anschluss nutzten die Teilnehmenden das Angebot von zwei parallelen Workshops mit jeweils besonderer fachlicher Ausrichtung. 

Prof.in Dr. Elke Kraus, Professorin für Ergotherapie, leitete den Workshop mit dem Titel „Evidenzbasiertes Arbeiten in den Therapie- und Pflegeberufen“. Die Teilnehmenden evaluierten die Impulse für das Nutzen von evidenzbasierten Methoden, um die Qualität und Wirksamkeit in den therapeutischen Berufen zu verbessern, besonders positiv. 

Prof.in Dr. Claudia Winkelmann, Professorin für Betriebswirtschaft und Management im Gesundheits- und Sozialwesen sowie Schwerpunktprofessorin für qualitätsgesicherte Strukturentwicklung in Studium und Lehre mit Schwerpunkt Weiterbildung, stellte in ihrem Workshop das Konzept zur Personalentwicklung entlang von Lebenszyklen mit Blick auf den Fachkräftemangel in den SAGE-Berufen vor. Diskutiert wurde unter anderem das Erfordernis zum Umdenken, denn sowohl die Einrichtungs- als auch die Mitarbeitendenperspektive sind relevant, ebenso das Fördern von langjährig Beschäftigten, von Karrierewegen im Sinusverlauf sowie auch von horizontalen Laufbahnen.

Der Alumnitag bot insgesamt einen geeigneten Rahmen, sich auszutauschen und voneinander zu lernen, sich gegenseitig Impulse zu geben und sich weiter zu vernetzen. Erstmals wurde der Alumnitag mit dem jährlichen an der ASH Berlin organisierten Sommerfest verbunden. Bei Gesprächen, Musik und Snacks klang der Alumnitag in ganz besonderer Atmosphäre aus.

Die Organisatorinnen des Alumnitages, Kerstin Miersch und Dr. Claudia Winkelmann, trafen sich im Nachgang mit Alumnitag-Teilnehmer und Alumnus Marijo Zupanovic. 
Der heutige Sozialunternehmer studierte 2010 bis 2013 Physiotherapie an der ASH Berlin. Nach seinem Abschluss gründete der erfolgreich drei Praxen mit 45 Mitarbeitenden für Physiotherapie im Süden und in der Mitte Berlins. Aus dem Feedbackgespräch lassen sich wertvolle Lehren für alle Beteiligten ziehen…  

Kerstin Miersch: Lassen Sie uns gemeinsam darüber unterhalten, wie wir den Alumnitag erlebt haben, warum der Alumnitag für uns wichtig war. Herr Zupanovic, wollen Sie uns kurz erzählen, was Sie bewegt hat, zum Alumnitag zu kommen und relativ viel Zeit zu investieren?

Marijo Zupanovic: Es waren mehrere Gründe. Erstens ist mein Studium an der ASH Berlin über zehn Jahre her und ich war seitdem nicht wieder an der Hochschule. Ich wollte sehen, wie sich die Hochschule verändert, welche Protagonisten jetzt da sind. Mich haben zweitens die Workshops unglaublich angesprochen, insbesondere der zum Fachkräftemangel. Ich wollte weitere Möglichkeiten finden, um Mitarbeitende besser verstehen zu können. Drittens wollte ich alte Kommilliton_innen treffen, vielleicht auch neue Netzwerke knüpfen. Vor allen Dingen interessierte mich, welche Probleme andere Professionen haben und wie sie die lösen. Als Praxisinhaber mache ich mir sehr viele Gedanken, wie ich meine Praxen quantitativ aber auch qualitativ mit meinen Teams so organisiere, dass wir ansatzweise den großen Andrang an Patient_innen bedienen können. Hier liegt momentan mein größtes Problem. Genau aus diesem Grund habe ich mir gerne diesen Nachmittag freigenommen. Es freut mich ungemein, dass wir heute noch mal gemeinsam den Alumnitag reflektieren, um zu sehen, was wir besser machen können, damit Alumni und Netzwerken noch größere Resonanz erfahren.

Claudia Winkelmann: Können Sie uns mehr zu Ihren Praxen sagen? Was ist in den zehn Jahren seit ihrem Abschluss passiert und wo stehen Sie jetzt? Das ist möglicherweise auch interessant für Studierende, die sagen, ich möchte mich selbstständig machen.

Marijo Zupanovic: Ich habe mit meinem Partner, Filip Lisicki, Praxen in Wilmersdorf, Lichterfelde und in Zehlendorf aufgebaut. Nach dem Studium war ich zunächst Freiberufler. Später habe ich mich mit Filip Lisicki zusammengesetzt und wir beide gründeten 2013 physioup, unsere erste Praxis. Wir brauchten schnell viele Mitarbeitende und haben davon profitiert, dass ich Netzwerke an der ASH Berlin hatte. Es waren damalige Kolleg_innen, die auch hier studiert und mir versprochen haben, dass sie zu mir wechseln, wenn ich selbstständig bin. Das hat super funktioniert. So konnte ich relativ schnell eine große interdisziplinäre Praxis aufbauen und aus dem inneren Staff für die weiteren Praxen die erforderlichen Praxisleitungen gewinnen. Ausnahmslos Praxisleitungen, die meine Werte vertreten, die ich unterstützt durch die Dozent_innen der ASH Berlin mit entwickelt habe. Mit diesen Werten fahre ich sehr gut bei und mit meinen Mitarbeitenden. Gleichzeitig schaue ich, dass wir weiterwachsen, um Patient_innen optimal versorgen zu können. Dazu versuche ich alle Optionen zu nutzen, die sich bieten.

Kerstin Miersch: Unsere Alumnitage sollen wechselseitig den Interessen der Alumni und dem der Hochschule entsprechen. Wir wissen, dass auch unsere Alumni beschäftigt sind und wir ein attraktives Angebot machen müssen. Konnten Sie sich vernetzen, konnten Sie mit Arbeitgebenden darüber sprechen, wie das Problem bei Ihnen gelöst wird? Konnten Sie ehemalige Kommilliton_innen treffen? War der Workshop so, wie Sie sich das vorgestellt haben? War der Workshop auch praxisorientiert?

Marijo Zupanovic: Durch den Workshop habe ich inhaltlich sehr viel mitgenommen. Gerade die Sättigungsphase, über die Frau Winkelmann gesprochen hat, war sehr interessant. Da konnte ich genau meine Erfahrungen wiederfinden. So erleben es meine Mitarbeiter_innen, das ist der Grund, warum sie das Unternehmen verlassen. Früher war das so, man begann bei einem Arbeitgeber und wollte das gesamte Berufsleben lang dort sein. Diese „Denke“ ist vorbei. Das musste ich auch als Arbeitgeber realisieren. Ich versuche gerade mit meinen Mitarbeitenden in dieser Form zu kommunizieren, wie von Ihnen empfohlen, wie nannten Sie es Frau Winkelmann? Kooperationsgespräche. Ich möchte so vermeiden, dass meine Mitarbeitenden sich zu früh in der Sättigungsphase befinden. Es interessiert mich, wie viel Vertrauen und wie viel Verantwortung meine Mitarbeiter_innen noch zusätzlich haben möchten, um im Unternehmen zufrieden zu sein und um zu bleiben. Dementsprechend versuche ich, dies genauso zu leben. Darüber habe ich mich direkt mit meinem Geschäftspartner ausgetauscht, so dass unsere Mitarbeiter_innen sich möglichst lange in der Wachstums- und Reifephase entwickeln können und sich eben keinen neuen Arbeitgeber suchen. Das ist die eine Sache, die mir sehr viel gebracht hat, dafür noch einmal einen riesen Dank. 
Leider ging das mit den Netzwerken und dem Treffen von Kommilliton_innen nicht ganz so auf. Ich hatte das Gefühl, dass der Alumnitag wenig angenommen wurde. Aber irgendwann ist ja immer ein Anfang. Ich werde in jedem Fall dafür werben. Es hat sich gelohnt. Daher würde ich mit meinen Kommilliton_innen reden, egal ob sie Arbeitnehmer oder Arbeitgeber sind. Gleichzeitig bin ich an der Wannseeschule für die Praktiant_innen des 4. und 5. Semesters Praktikumsanleiter bei physioup. Ich würde auch dort für den Alumnitag und für die Hochschule werben.

Kerstin Miersch: Ich würde hier gerne noch mal in die Tiefe gehen. Wir haben hier an der Hochschule immer wieder Diskussionen, ob wir Workshops anbieten, die inhaltlich zu unseren Studiengängen passen. Themen wie Personalentwicklung oder Fachkräftemangel, dachten wir, passen - da höre ich aus vielen Studiengängen, dass das ein Problem ist. Und sind wir in der Lage, trotz aller inhaltlicher Differenzen, uns in einem Raum wiederzufinden und über gemeinsame Interessen zu sprechen? Also mir würden da ad hoc noch mehr einfallen.

Claudia Winkelmann: Welche Interessen meinen Sie Frau Miersch? Wollen Sie kurz einige nennen.

Kerstin Miersch: Zum Beispiel Bezahlung von Fachkräften in den Gesundheits- und Sozialberufen, Arbeitsbedingungen wie befristete Verträge in den Gesundheits- und Sozialberufen, Wertschätzung generell, Anerkennung von Tätigkeiten, die pflegend und sorgend sind, da gibt es meines Erachtens auch eine ganze Menge Entwicklungsbedarf und zwar in allen Studiengängen, die wir anbieten. Wir haben an der Hochschule allerdings auch Menschen, die sagen: Nein wir machen diese Workshops getrennt, weil wir eben so unterschiedlich sind in unseren Ausbildungsideen. Wenn wir uns die Teilnehmendenliste anschauen, sehen wir, dass tatsächlich Alumni aus allen großen Studiengängen der ASH Berlin teilgenommen haben. Wir waren also interprofessionell. Es ist also nicht so, dass das Thema Personalentwicklung nur Professionelle der Gesundheit umtreibt, sondern auch in der Sozialen Arbeit sowie in der Erziehung und Bildung. 
Wie haben Sie den Mix der Berufsgruppen erlebt? Hat das gepasst oder war das eher ungünstig?

Marijo Zupanovic: Das hat total gepasst, weil, im Endeffekt ziehen wir alle am gleichen Strang. Wir wollen die Versorgung im Gesundheits- und Sozialwesen in Deutschland verbessern und es kann nicht sein, dass das nur ein Managerproblem ist oder ein Arbeitgeberproblem, sondern es ist genauso ein Arbeitnehmerproblem. Wer nicht genug Kolleg_innen hat, muss dementsprechend mehr arbeiten, damit in irgendeiner Weise die Arbeit geschafft wird. Wenn dadurch das jeweilige Stresspotential steigt und damit die Wertschätzung sinkt, weil man einfach nicht mehr alles gemeinsam hinbekommt, ist es ein gemeinsames Problem. Das sind inhaltlich keine getrennten Themen. Das sind Themen für alle, ganz unabhängig davon, ob ich ein Arbeitgeber bin oder ein Arbeitnehmer, ob ich in einer Pflegeeinrichtung arbeite, Physiotherapiepraxis, Jugendclub oder einer Kita. Wir benötigen Personen, wir müssen Prozesse entwickeln, um die Arbeit evident und effizient zu schaffen. Ich gebe Ihnen 100 Prozent Recht, es kann nicht sein, dass die Arbeitsbedingungen so schlecht werden, dass die Personen irgendwann den Beruf wechseln, um lediglich auf die nächste schlechte Arbeitsbedingung zu treffen. Stattdessen müssen wir die Arbeitsbedingungen so gestalten, dass sie wieder attraktiv sind. Deswegen ist es wichtig, dass sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer annähern und eine Hochschule wie die ASH Berlin in diese Richtung wirkt. An der ASH Berlin werden dahingehende soziale Kompetenzen entwickeln, die Alumni als künftige Arbeitgeber und Arbeitnehmer weiterentwickeln können. Damit der Arbeitgeber nicht nur seinen Standpunkt sieht, nämlich die Zahlen, zufriedene Patient_innen und so weiter und so fort, sondern es muss eben gleichzeitig mitgesehen werden, passt das alles in das Lebenskonzept der Mitarbeiter_innen. Deswegen finde ich so ein Treffen, wie diesen Alumnitag, genial. Da können sich Leute mit verschiedenen Perspektiven austauschen. Ich fand es schade, dass so wenige teilnahmen. Aber ich bin überzeugt, das wird sich ändern. Hierzu müssen wir es häufiger durchführen. Alle müssen profitieren können, ein Arbeitnehmer muss aus der Veranstaltung rausgehen können und sagen, wunderbar, jetzt habe ich meine Meinung gesagt. Der Arbeitgeber muss profitieren und denken, ja, so könnte ich vielleicht mehr Mitarbeiter_innen gewinnen. Die Hochschule muss profitieren, indem sich auf diese Weise mehr Studierende immatrikulieren.

Claudia Winkelmann: Welche Themen sollten auf einem nächsten Alumnitag angesprochen werden, damit wir ein größeres Interesse bei Alumni wecken?

Marijo Zupanovic: Es dreht sich heutzutage viel um Geld. Ich möchte verstehen, wie wichtig das Thema für die Mitarbeitenden ist. Gleichzeitig möchte ich als Praxisinhaber erklären können, dass wir eine enorme Diskrepanz bei den Regeln haben, die die Krankenkassen uns vorgeben. Ich habe beispielsweise noch ein Osteopathie-Studium nebenbei absolviert. Unter den Studierenden gab es Kolleg_innen in Dresden, die nur 16 Euro verdient haben. Dagegen stelle ich in meinen Praxen Berufseinsteiger_innen mit 23 Euro ein. Solche großen Diskrepanzen sollte es einfach nicht geben, zumal die Krankenkassen in Deutschland unsere Leistungen annähernd gleich vergüten.

Claudia Winkelmann: In welchem Turnus würden Sie sich so einen Alumnitag wünschen und welche Dauer wäre aus Ihrer Sicht angemessen? Wir haben den Alumnitag sowohl in Präsenz als auch hybrid realisiert. Welches Format entspricht Ihren Zielen am besten?

Marijo Zupanovic: Für meinen Geschmack hätten die Workshops noch länger sein können. Wir hätten sicher noch mehr diskutieren können. Ansonsten finde ich, die Veranstaltung hybrid zu organisieren, ist richtig. Wir haben die Hauptkritik der Teilnehmenden gehört: Für viele ist ein Nachmittag mitten in der Woche ungünstig, vor allem, wenn Alumni berufstätig sind. Aber bei langfristiger Planung, wird ein Arbeitgeber, der einen Sinn im Alumnitag sieht, die Mitarbeitenden freistellen. Alles, was dazu beiträgt, dass der Alumnitag eine deutlich größere Resonanz erfährt und dass irgendwann einmal mehr als 100 Leute teilnehmen, unterstütze ich. Wie ein Baum, der jetzt Wurzeln schlägt und Jahr um Jahr Äste und Zweige ausbildet.

Kerstin Miersch: Das würde ich jetzt gerne noch einmal verstärken. Es ist natürlich auch in unserem Interesse, dass uns Alumni im Feld, in der Praxis als Botschafter_innen stärken. Sie wurden bei uns gut qualifiziert, tragen es direkt oder indirekt weiter und werben auf diese Weise für uns. Sich hinzustellen und zu sagen, ohne die Alice-Salomonn-Hochschule Berlin hätte ich meine Praxen in der Form und mit diesen gesellschaftlichen Werten, wie ich sie heute betreibe, gar nicht realisieren können, ist einfach wunderbar, vielen Dank dafür Herr Zupanovic. 
Es geht gar nicht darum, Maßnahmen zu etablieren, die in Richtung eines Werbeblocks gehen, sondern positive Dinge zu benennen. Das ist natürlich ein Wunsch. Gleichzeitig fällt mir zu der Frage, warum wir uns in einem Alumninetzwerk treffen sollen, auch noch die folgende Antwort ein: Um die interprofessionelle Zusammenarbeit zu stärken. Es gibt sehr viele professionelle Gründe für eine Hochschule, unterschiedliche Fachkräfte an einen Tisch zu bringen und nicht zu separieren.

Marijo Zupanovic: Sie sprechen da genau den richtigen Punkt an. Es müssen alle an einen Tisch. Deswegen bin ich dafür, dass interprofessionell gearbeitet wird, dass die einzelnen Disziplinen voneinander wissen, deren Ziele, Inhalte und Methoden kennen und die beiderseitigen Grenzen. Als Arbeitgeber beschäftige ich auch Ergotherapeut_innen und Logopäd_innen. Während der Ausbildung hatte ich überhaupt keine Verbindung zu diesen Berufsgruppen. Mittlerweile sind diese Berufe und das interprofessionelle Zusammenarbeiten in meinen Praxen unerlässlich für die Versorgung unserer Patient_innen.