Gemeinschaft und Natur Von Bienen und Menschen mit Fluchterfahrungen

Ein Bienen-Projekt im Übergangswohnheim für geflüchtete Menschen in Köpenick

Ein Projektteilnehmer und Prof. Dr. Johannes Gräske betrachten eine Bienenwabe
Ein Projektteilnehmer und Prof. Dr. Johannes Gräske (rechts) bei der Arbeit mit den Bienen Gabriele Senft

Die Bienen leben in geordneten Strukturen als ein Volk friedlich zusammen. Im Sommer, wenn das Volk Unmengen Blütennektar und Pollen sammelt, um für den Winter genügend Futter anzulegen, das Wetter ist angenehm warm und ausreichend trocken, dann wächst ein Bienenvolk. Die Königin legt pro Tag bis zu 2.500 Stifte, so werden die kleinsten Bienen bis zu 3 Tagen nach Ablage genannt. Das Volk wächst so rasant, dass es im Bienenstock (im Imkerjargon Beute genannt) eng wird. Passt der_die Imker_in nicht auf, bereitet sich das Bienenvolk darauf vor, zu schwärmen. Das passiert, wenn sich das Volk nicht ausreichend beschäftigt fühlt, weil zu viele Bienen da sind. Dann wird kurzerhand eine neue Königin gezogen. Die alte Königin kann im Grunde nichts dagegen tun. Daher flieht die alte Königin ein paar Tage, bevor die neue Königin schlüpft. Sie flieht aber nicht allein, sondern nimmt die Hälfte der Bienen mit. Dieser Schwarm besteht aus bis zu 20.000 Bienen und verlässt den heimischen Stock auf der Suche nach einer neuen Nistmöglichkeit.

Wenn Menschen ihrer Heimat verlassen, tun sie es meist, weil Krieg und Gewalt sie dazu zwingen. Die Angst um das eigene Leben und die Sorge um das Wohlergehen der Familie führte in den vergangenen fünf Jahren Millionen von Geflüchteten nach Europa, um hier Sicherheit, Geborgenheit und eine Zukunft zu finden. Ich habe im Rahmen des Bienen-Projektes einige von ihnen kennen und schätzen gelernt. Aber zunächst – wie kam es dazu?

An einem frostigen Tag im Februar 2019 spielt der 1. FC Union Berlin auswärts bei den Störchen des Fußballclubs Holstein Kiel. Ich begleite das Spiel im Rahmen der Auswärtsfahrt für Menschen mit Handicap. An dem Tag lerne ich viele Unioner_innen mit und ohne Handicap kennen, unter anderem auch Jochen Lesching und Thomas Maier von der Stiftung des 1. FC Union Berlin „Schulter an Schulter“. Thomas ist, wie ich, Hobbyimker und wir sprechen neben Fußball natürlich auch viel über Bienen. Der Kontakt bleibt.

"Einige der Projektteilnehmer_innen hatten schon in ihrer Heimat Kontakt mit Bienen, andere haben Bienen noch nie aus der Nähe gesehen."


Irgendwann kommt Thomas auf mich zu und fragt, ob ich nicht Lust auf ein Bienenprojekt im Übergangswohnheim für geflüchtete Menschen in Köpenick hätte. Ich muss gar nicht lange überlegen – natürlich habe ich Lust! Der Türöffner e.V., ein Verein zur Förderung der Arbeitsintegration von Menschen mit Fluchterfahrungen, ist seit Jahren im Heim tätig und organisiert alles für unser am Ende erfolgreiches Projekt. An einem Tag im März können wir in Kyritz an der Knatter bei einem Imker drei Völker mit je rund 10.000 Bienen erwerben, die noch am selben Abend gegen 22 Uhr an ihren Platz im Übergangswohnheim ziehen. Das Wohnheim ist um eine Attraktion reicher.

Die Projektteilnehmer_innen kommen aus Afghanistan, Eritrea, Gambia oder Syrien. Es sind Männer unterschiedlichen Alters mit ganz verschiedenen Lebens- und Berufserfahrungen. Sie kamen nach Deutschland, um Sicherheit vor Krieg, politischer Verfolgung oder den Taliban zu suchen. Einige hatten schon in ihrer Heimat Kontakt mit Bienen, andere haben Bienen noch nie aus der Nähe gesehen.

In Erinnerung bleiben mir die Herausforderungen bei der Arbeit an und mit den Bienen ebenso wie die humorvollen Momente – trotz des einen oder anderen Bienenstichs behutsam und gelassen zu arbeiten, verzweifelte und selbstironische Versuche der Teilnehmer_innen in deutscher Sprache schwierige Begriffe auszusprechen. Für die Kinder im Wohnheim ist es immer ein Highlight der Woche, wenn wir an den Bienen sind. Sie haben die Bienen gestreichelt (ja das geht, man spürt sogar den Flügelschlag), sind vor ihnen weggelaufen und haben natürlich auch Honig direkt aus den Waben genascht. Im Sommer konnten dann rund 50 Gläser leckeren Honigs geerntet werden.

Der Türöffner e.V. hat ein tolles Projekt organisiert, bei dem die Teilnehmenden – inklusive mir selbst – viel gelernt haben. Gemeinschaft und Natur als verbindendes Element für Sicherheit und Sorgenfreiheit.

Prof. Dr. Johannes Gräske lehrt im Bachelorstudiengang Pflege.