Bereits zum vierten Mal hatten Prof. Dr. Ursula Walkenhorst (Universität Osnabrück) Prof. Dr. Beate Klemme (Fachhochschule Bielefeld) und Prof. Dr. Sven Dietrich (Hochschule für Gesundheit Bochum) zum Interprofessionellen Ausbildungskongress aufgerufen. In diesem Jahr fand er vom 05. bis 06. März an der Universität Osnabrück statt. Und aus gegebenem Anlass begrüßte Prof. Dr. Ursula Walkenhorst die Anwesenden Lehrenden in der Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie, Orthoptik, Gesundheits- und Krankenpflege und Medizin in ihrer Eröffnungsrede, dass fehlendes Händeschütteln kein Zeichen fehlender Wertschätzung sei, sondern Respekt vor der Gesundheit zeige. Der Kongress zeigte die Dynamik in der Entwicklung der Gesundheitsfachberufe. Lehre, unabhängig, ob an Berufsfachschulen, Berufsbildenden Schulen oder Hochschulen spielt hierfür eine besondere Rolle, so Walkenhorst.
Die wachsende Bedeutung von Interprofessionalität und Teamarbeit unterstrich Dr. Götz Fabry, Universität Freiburg, in seinem Hauptvortrag, da diese Antworten auf Fragen bieten, die mit dem Wandel der Versorgungssysteme, der Krankheitsbilder und Klientel sowie mit zunehmender Heterogenität der Studierenden aufgeworfen werden. Noch herrsche, so Fabry, eine sehr stark ergebnisorientierte Didaktik vor. Darüber hinaus reglementieren diverse Ordnungen im Bildungssystem sehr stark, weshalb Flexibilität kaum realisiert ist. Flexibilität wird jedoch zunehmend als notwendig erkannt. So sei das Lernen am Modell nur eine Option. Stärker in den bildungswissenschaftlichen Fokus rücken nach Fabry soziokulturelle Einflüsse, die insbesondere in der Praxis bewusst reflektiert und gestaltet werden müssten. Denn gerade Praxisphasen bieten vielschichtige Lern- und Bildungskontexte, die einer eigenen Didaktik bedürfen. Fundamental für das Lernen in der Praxis die individuelle und kollektive Reflexion von Erfahrungen, Werten und Normen. Die bloße Einstellung reiche nicht aus.
Vor dem Hintergrund, dass in den Therapieberufen – anders als in der Gesundheits- und Krankheitspflege – keine gesetzlichen Verankerungen für die Qualifikation von beruflichem Bildungspersonal, zeigten verschiedene Beiträge im Session-, Workshop- und Posterprogramm sowohl den Bedarf der Therapeut_innen in den Praxen und Kliniken zur optimalen Anleitung als auch Good-Praxis-Beispiele, insbesondere auch für interprofessionelle Praktika. Speziell die interprofessionelle Ausbildung im deutschsprachigen Raum war Gegenstand eines Workshops unter Leitung von Prof. Dr. Beate Lenck, Hochschule 21, der mit einer Vielzahl von Referent_innen der ASH Berlin eine Bestandsaufnahme von Aktivitäten bot.
In der von Tamara Toren, Universität Osnabrück, moderierten Postersession regten insbesondere die Arbeiten von Katja Stolte (ASH Berlin) zur Sexualität als bedeutungsvolle Betätigung im Kontext der Ergotherapie sowie von Angelika Rother, Universität Freiburg, et al. zu Herausforderungen und Chancen von Logopäd_innen mit Beeinträchtigungen an den oberen Extremitäten auch mit Prothese die Diskussion im Auditorium an.
Zum Abschluss des Kongresses präsentierten sich die Gäste im Podium eher einig, dass die Gesundheitsfachberufe von einer Vollakademisierung profitieren können und ein Kombimodell aus berufsfachschulischer und hochschulischer Ausbildung die Entwicklungsmöglichkeiten und didaktischen Diskussionen eher bremsen und verwässern würde. Das druckfrische Eckpunktepapier der Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Gesamtkonzept Gesundheitsfachberufe“ mit dem Aktionsplan für eine Reform der Ausbildung in den Gesundheitsfachberufen sowie einer Neustrukturierung der Aufgaben und Kompetenzprofile greift insofern zu kurz. Während für die Logopädie eine Vollakademisierung als möglich angesehen wird, soll für die Ergotherapie und Physiotherapie eine Teilakademisierung geprüft werden.