1980 kam es zur Gründung der ersten Altenschauspielgruppe Spätzünder im Norden Schönebergs. Rund drei Jahre später schlüpfte die Gruppe gemeinsam mit den inzwischen entstandenen Grauen Zellen und Herzschrittmachern unter der Leitung von Eva Bittner und Prof. Dr. Johanna Kaiser unter das Dach des Nachbarschaftsheim Schöneberg e.V. und nannte sich fortan Theater der Erfahrungen.
Ziel des Theaters war – und ist es heute noch – mit älteren Menschen Theater zu machen. Dabei geht es gerade nicht darum, bekannte Bühnenstoffe aufzunehmen und neu zu inszenieren, sondern Stücke auf den Erfahrungen der Akteur_innen basierend zu entwickeln und auf die Bühne zu bringen. Hier ist der Name des Theaters programmatisch: Theater der Erfahrungen.
Dabei können sich die Spieler_innen in allen Phasen der Stückentwicklung einbringen: ob beim Improvisieren, beim Schreiben des Textes oder bei dramaturgischen Fragen. Somit stehen die Spieler_innen mit dem neuen Werk nicht nur auf der Bühne und spielen mit Verve und Begeisterung sondern auch hinter Ihrem Stück. Gespielt wird ganz im Sinne eines Wandertheaters: in Kitas, Schulen, auf Kleinkunstbühnen, in Kirchen und Stadtteilzentren, aber auch immer wieder auf großen Bühnen und natürlich auch in Seniorentreffs und Pflegeheimen.
‘Rampenlicht statt Rückzug‘ lautet dabei das Motto, und so wird beileibe nicht nur in Berlin aufgeführt, sondern Gastspielreisen und Teilnahme an Theaterfestivals führen die Gruppen mit ihren Produktionen ins gesamte Bundesgebiet und auch ins europäische Ausland. Beides – diese besondere Art der Stückentwicklung als auch die mobile Auftrittspraxis – wirkte in den vier Jahrzehnten enorm anziehend. So engagieren sich im Theater inzwischen etwa 40 Spieler_innen in den drei Ensembles: die Spätzünder, der OstSchwung und die Bunten Zellen.
In ihrer Gesamtheit agieren diese Gruppen mit der Produktion ‘Altes Eisen‘, einem deutsch-türkischen Musical, welches seit 2010 hauptsächlich in der ufa-Fabrik gezeigt wird und sich seitdem mit den jährlichen Aufführungen vieler Fans erfreut.
Altentheater nicht nur für Alte
Im Lauf der Zeit entstanden neue Arbeitsfelder. So kam 1995 die generationenübergreifende Theaterarbeit hinzu: Unter dem Motto Schule des Lebens sind Projektwochen mit Schüler_innen und alten Spieler_innen oder Theaterspiel in Kitas mit Kindern und alten Spieler_innen regelmäßiger Bestandteil des Spielplans.
Seit 2005 kommen Spieler_innen mit unterschiedlicher Herkunft zum Theater. Das Einbeziehen mehrerer Sprachen, die Betonung des Non-Verbalen und das Integrieren mehrerer Musikstile bereicherten so nicht nur die Methodik der Stückentwicklung sondern führten auch zur Erschließung neuer Auftrittsorte. Es entstand die Interkulturelle Theaterarbeit, genannt Interkultureller Schmelztiegel.
Im Zuge des demographischen Wandels förderte der Berliner Senat 2006 kulturelle Angebote für Ältere. Mit dem Ziel, ältere Menschen mit kreativen Angeboten für zivilgesellschaftliches Engagement zu gewinnen, initiierte das Theater in mehreren Berliner Stadtteilzentren unterschiedliche Gruppen. Acht dieser Kreativen Potenziale des Alters mit ca. 40 aktiven Spieler_innen und einem mittlerweile umfangreichen Repertoire existieren auch 2020 noch.
Mit der Berufung Johanna Kaisers an die Alice Salomon Hochschule Berlin als Professorin für Soziale Kulturarbeit 2008 / 2009 entstand dort nicht nur ein neuer Schwerpunkt - Kulturarbeit mit alten Menschen - sondern auch eine intensive Kooperation. So können sich im Rahmen der Meisterschule alte Spieler_innen in Seminaren unterschiedlicher Studiengänge einbringen. Umgekehrt können Studierende am Beispiel der praktischen Arbeit die interkulturelle und intergenerative Praxis des Theaters der Erfahrungen kennen lernen. Ein reger Transfer zwischen Studierenden und Älteren setzte ein.
Weitere Kooperationen
Neue Wege beschritt das Theater der Erfahrungen auch durch Zusammenarbeit mit Einrichtungen innerhalb des Nachbarschaftsheims Schöneberg.
So trafen sich alte Spieler_innen und Mitarbeiter_innen des Hospiz Steglitz-Schöneberg, um sich unter dem Motto Lachen und Sterben mit Fragen rund um das Thema Tod zu beschäftigen. Was als mehrtägiger Workshop begann, mündete in die häufig aufgeführte und 2014 prämiierte Inszenierung ‘Bertha, stirb endlich!‘ Ein zweites Theaterstück ist in Arbeit.
Eine Zusammenarbeit mit dem Besuchsdienst wiederum brachte ältere Spieler_innen und demenziell veränderte Menschen zusammen. Unter dem Titel ‘Vergissmeinnicht‘ wurde eine Inszenierung erarbeitet und mehrmals aufgeführt.
Das Folgeprojekt ‘Vergissmeinnicht – Unutmabeni‘ bietet seit fast vier Jahren älteren Menschen unterschiedlicher Herkunft mit und ohne Demenz ein Forum für regelmäßige Treffen mit Austausch und Spiel. Auch hier entstanden mittlerweile zwei Inszenierungen, die immer wieder aufgeführt werden.
Eine mehrjährige Kooperation mit TUKI (Theater und Kita) mündete in die ebenfalls ausgezeichnete deutsch-türkischsprachige Produktion ‘Linamanno und die alten Freunde‘, mit der kontinuierlich durch Kitas, Grundschulen und Familienzentren getourt wird.
Theater der Erfahrungen auf Landpartie
Mit dem seit 2019 realisierten Projekt Theater der Erfahrungen auf Landpartie sollen in Brandenburg neue Theatergruppen initiiert werden. Eine rege Reisetätigkeit setzte ein – erstes Ziel war und ist Gerswalde in der Uckermark.
Alle Aktionen und Veranstaltungen werden tatkräftig vom 2004 gegründeten Förderverein Theater der Erfahrungen unterstützt. Fachliche Beratung und Begleitung erfährt das Theater von einem 2008 gebildeten Beirat.
Es bleibt also weiterhin viel zu tun und im Jubiläumsjahr besonders viel zu gucken!
Ausblick
Im Jahr 2020 wollen wir vor allem feiern. Und nicht nur im kleinen Kreis.
Folgendes haben wir im Sinn:
Geburtstagsgfest
Auftakt zum Jubiläumsjahr ist unsere Gala am 28. März 2020 in der ufaFabrik in Tempelhof.
Wanderausstellung
‘Rampenlicht statt Rückzug‘
Am 24. April 2020 wird im Nachbarschaftshaus Friedenau die Ausstellung ’40 Jahre Theater der Erfahrungen‘ eröffnet. Diese wandert dann in die Senatsverwaltung Integration Arbeit und Soziales, auch ins NBH Neukölln um ein letztes Mal im Herbst an der Alice Salomon Hochschule gezeigt zu werden.
Premieren
Am 23. Mai 2020 kommt es zur ersten öffentlichen Aufführung im Rahmen der Landpartie. Spieler_innen des Theaters und Engagierte aus Gerswalde präsentieren ihr erstes Theaterstück.
Die Kooperation von Theater und Hospiz feiert am 29. Mai Premiere mit ihrem neuen Theaterstück im Nachbarschaftshaus Friedenau. Dabei geht es erneut um Lachen und Sterben und natürlich um die Frage, ob beides zusammenpasst. Zu zwei Folgeaufführungen kommt es am 31. Mai und 01. Juni wiederum in der ufaFabrik.
Fahrt nach Kirchmöser
Von 08. bis 10. Juni lädt der Förderverein seine Mitglieder zu einer Fortbildung nach Kirchmöser (Nähe von Brandenburg an der Havel) ein.
Symposion
‘Rampenlicht statt Rückzug‘
Akademisch und international geht es dann Mitte November in Hellersdorf zu.
Wir laden zu einem zweitägigen Fachtag rund um die Frage ‘Was soll das ganze (Alten-)Theater?‘ am 17. und 18. November in die Alice Salomon Hochschule.
Musical
Interkulturell, dabei laut und lustig, wird es danach in Tempelhof.
Von 20. bis 22. November präsentieren wir erneut an drei Tagen das Musical ‘Altes Eisen‘ in der ufaFabrik.
Außerdem wird das Theater der Erfahrungen in einer Festschrift vorgestellt – hier stehen die Blicke Außenstehender auf den Theaterbetrieb im Vordergrund. Auch erscheint eine CD mit den Hits aus ‘Altes Eisen‘.
Also wieder jede Menge Theater.
Halten Sie sich die Termine frei und melden Sie sich gleich bei uns an.
Weitere Informationen auf der Webseite des Theaters.