Seitenwechsel Campus Transferale: Stärkung der Solidarität vor Ort

Das Teilprojekt „Servicestelle Partizipative Forschung" (CaTSe) unterstützt community-orientierte Handlungspraxis in bezirklichen Einrichtungen

Foto vom CatSe-Team
Team CaTSe (v.l.n.r.): Flora Griebel (ASH Berlin), Kerstin Moncorps (SeniorenServiceBüro, SSB, Bezirksamt Marzahn-Hellersdorf), Vera Prieß (Jugendamt Marzahn-Hellersdorf), Isa Brodnjak (ASH Berlin), Ina Schaefer (ASH Berlin), Katharina Tümmler (Organisationseinheit für Qualitätsentwicklung, Planung und Koordination des öffentlichen Gesundheitsdienstes, OE QPK, des Bezirksamtes Marzahn-Hellersdorf), es fehlen: Gesine Bär (ASH Berlin) und Lena Frey (ASH Berlin) Isa Brodnjak

In dem im Rahmen der zweiten Förderlinie „Innovative Hochschule“ des BMBF geförderten Forschungsprojektes Campus Transferale (CaT) geht es noch bis Ende 2027 zentral darum, Veränderungsprozesse durch die Zusammenarbeit und dem Übertragen von Erfahrungen und Erkenntnissen von Hochschule und d­­­em Bezirk Marzahn-Hellersdorf von Berlin umzusetzen. Auf die Vorstellung des CaT-Teilprojektes Transfer_HuB in der vorangegangenen Ausgabe des alice-Magazins, folgt nun die Vorstellung des zweiten Teilprojektes in dem fünfjährigen Fördervorhaben, die Servicestelle Partizipative Forschung.

Entsprechend der dialogischen Grundhaltung stellen wir das Projekt im Interview-Stil vor. Der erste Teil der Fragen wurde gemeinsam von den Mitarbeiter_innen der Servicestelle Gesine Bär, Isa Brodnjak, Lena Frey und Ina Schaefer, beantwortet, der zweite Teil der Fragen von den bezirklichen Kooperationspartner_innen Kerstin Moncorps und Hannah Karrmann (SeniorenServiceBüro, Bezirksamt Marzahn-Hellersdorf), Vera Prieß (Jugendamt Marzahn-Hellersdorf) sowie Katharina Tümmler (Organisationseinheit für Qualitätsentwicklung, Planung und Koordination des öffentlichen Gesundheitsdienstes (OE QPK) des Bezirksamtes Marzahn-Hellersdorf).

Was ist CaTSe kurz erklärt und wieso haltet ihr die Arbeit für relevant?  

Die Entwicklung der Servicestelle wurde durch Überlegungen zur Stärkung der Partizipation in der Arbeitspraxis derjenigen, die Einfluss auf die Lebenswelt der Communities bzw. Bürger_innen nehmen, vorangetrieben. Gemeinsam mit den kooperierenden Institutionen werden partizipative und auf Chancengerechtigkeit ausgerichtete Zielsetzungen in bezirklichen Arbeitsvorhaben gefördert. 

Die Servicestelle berät und begleitet fachlich die Weiterentwicklung der partizipativen Vorgehensweisen. Dafür wurde beispielsweise eine gemeinsame Workshopserie zur Vermittlung der partizipativen Arbeitsweise und Möglichkeiten der Projektgestaltung durchgeführt. Es soll außerdem ein gemeinsames Verständnis von Partizipation entwickelt und Methoden mit dem Fokus auf die partizipative Zusammenarbeit gesammelt, überprüft und verschriftlicht werden.

Die Arbeit ist darauf ausgerichtet, Erkenntnisse aus der Forschung, die häufig nicht leicht vereinbar mit der Praxisrealität erscheinen, für diese nutzbar zu machen und gemeinschaftlich Formate zu entwickeln, die auch mit knappen Ressourcen umsetzbar sind. Dabei soll zum einen die Orientierung an Communities und zum anderen die Herbeiführung von Veränderungen gestärkt werden. Dies bringt gegenseitige und multidirektionale Entwicklungs- und Lernprozesse mit sich.

Warum „Servicestelle“, wie passt das zu gegenseitigen Lernprozessen und in die Transferstrategie der ASH Berlin?

Wir verstehen den Begriff Servicestelle nicht als eine passive oder reaktiv agierende Einrichtung. Unsere Vorstellung schließt an Konzepte des „critical service learnings“ an, also des Lernens im Handeln, das mit einer tiefergehenden und kritischen Reflexion struktureller Ungerechtigkeit einhergeht. Essenziell ist dabei eine gemeinsame Entscheidungsfindung mit denjenigen, die im Fokus einer Fragestellung oder auch eines Angebots stehen. Der Ansatz schließt daher gut an partizipative Ansätze sowie an die Transferstrategie der ASH Berlin an, die nachhaltig Akzente u.a. für die gesellschaftliche Teilhabe aller setzen will.

Eure kooperierenden Institutionen sind allesamt Behörden aus Berlin Marzahn-Hellersdorf. Wie kam es zu genau diesen Kooperationen? Und wirkt ihr auch nachhaltig in den Bezirk hinein?

In der Kinder- und Jugendhilfe, Senior_innenarbeit und im Gesundheitsbereich gibt es teilweise gesetzlich verankerte Partizipationsaufträge. Mit vielen bezirklichen Partner_innen aus diesen Bereichen gibt es bereits seit Jahren vielfältige Kooperationsbeziehungen und ein stabiles Vertrauensverhältnis. Zugleich haben unsere kooperierenden Institutionen ihrerseits Arbeitsbeziehungen zu vielen Einrichtungen im Bezirk, beispielsweise zu den Jugendfreizeiteinrichtungen oder zu den Stadtteilzentren. Sie können deswegen einerseits als Multiplikator_innen dienen, andererseits sind sie im Bezirk in Positionen, die auf Prozesse und Entwicklungen einwirken können und diese mitgestalten. Nachhaltigkeit soll durch diese Verknüpfung mit den bestehenden Strukturen und der Weiterentwicklung einer communityorientierten, partizipativen Haltung entstehen.

Welcher Teil der Arbeit ist aus der Sicht einer studentischen Mitarbeiterin an der Arbeit in der Servicestelle besonders interessant? Was ist das Besondere an CaTSe?

Interessant zu erleben ist besonders die Offenheit im Gestaltungsprozess und die Entwicklung eines partizipativen Projektes in Marzahn-Hellersdorf, von der Rollenfindung der Servicestelle in Zusammenarbeit mit den Kooperationspartner_innen, über die gemeinsame Themenfindung bis zur Konkretisierung, wobei alles ein iterativer Prozess bleibt. Es ist spannend zu sehen, wie die Theorie in der Praxis umgesetzt wird bzw. wie die Praxis die Theorie abbildet.

Das besondere an CaTSe ist, dass ich mich als StuMi mit meinen Ideen ernst genommen fühle. Mein Einbringen ist erwünscht und ich erlebe Gestaltungsfreiräume und Selbstwirksamkeit.

Warum sind die jeweiligen Institutionen aus Ihrer Sicht als Beteiligte dieser, Teil des CaT-Projektes?

Beteiligte SeniorenServiceBüros (SSB): Partizipation bietet die Möglichkeit, ein Thema mit möglichst allen relevanten Akteur_innen zu bearbeiten und fördert damit eine breite Akzeptanz für Thema und Ergebnisse. Wir sind der Überzeugung, dass unterschiedliche Sichtweisen und Aspekte den Prozess bereichern.

Beteiligte Jugendamt: Es gibt bereits gute Erfahrungen mit Kooperationen mit der Alice Salomon Hochschule, wie zum Beispiel dem partizipativen Forschungsprojekt Eltern fragen Eltern (Elfe). Wir sind stets bemüht neue Kooperationen zu entwickeln und alte aufrecht zu erhalten. Außerdem halten wir das Thema Partizipation für sehr relevant und es hat in der letzten Zeit durch das Jugendförder- und Beteiligungsgesetz einen noch größeren Stellenwert bekommen. Wir sind stets auf der Suche nach neuen Wegen und Methoden, um diese gesetzlichen Vorgaben und theoretischen Inhalte in die Praxis zu übertragen.

Beteiligte Organisationseinheit für Qualitätsentwicklung, Planung und Koordination des öffentlichen Gesundheitsdienstes (OE QPK): Unsere Aufgabe ist es u. a. das Thema „Gesundheit“ in allen Fachplanungen anzubringen und ressortübergreifend mit den verschiedenen Ämtern, Institutionen und Trägern im Sinne eines bevölkerungsbezogenen und sozialkompensatorischen Ansatzes zur Gesundheitsförderung und Prävention zusammenzuarbeiten. Das bedeutet, dass gesundheitsförderndes Handeln und verhältnispräventive Maßnahmen Menschen in schwierigen Lebenssituationen erreichen sollen. Genau diese werden allerdings häufig mit konventionellen Angeboten kaum erreicht. In der Partizipation sehen wir eine wichtige Möglichkeit diesem Präventions-Dilemma zu begegnen. Durch Beteiligung und Mitwirkung bei beispielsweise der Gestaltung und Initiierung gesundheitsförderlicher Projekte erhoffen wir uns, dass die Maßnahmen zielgerichteter erfolgen, eher angenommen werden und somit mehr Menschen erreicht werden. Die Teilnahme der OE QPK an dem Projekt „Servicestelle Partizipative Forschung“ soll zu mehr Wissen über die Bedeutung von Partizipation und die Methoden der Partizipation auf kommunaler Seite führen. Außerdem führt sie im besten Falle dazu, dass Partizipation stets integrativer Bestandteil gesundheitsfördernder Planungen wird. Damit würde ein wichtiger Baustein zum Abbau von Barrieren erreicht.

Welche Erkenntnisse nehmen Sie aus dem letzten Jahr mit?

Beteiligte SSB: Wir haben Partizipation als einen Prozess verstanden, der Flexibilität von allen Partner_innen und Akteur_innen erfordert. Dabei sind wissenschaftliches und fachliches Hintergrundwissen eine gute Basis und Voraussetzung, um Beteiligungsprozesse zu initiieren und durchzuführen. Die zu bearbeitenden Themen, Fragestellungen und Zielsetzungen stehen nicht von Anfang an fest, sondern werden im gemeinsamen Diskurs immer wieder erörtert und dabei angepasst bzw. präzisiert.

Beteiligte Jugendamt: Partizipative Prozesse brauchen Zeit. Oftmals passen sie nicht in bisherige Strukturen und fordern eine Flexibilität, die es in der Verwaltung häufig nicht gibt. Das Projekt und partizipative Arbeit sind eine schöne Möglichkeit, Flexibilität zu lernen und eine Veränderung der Strukturen anzugehen.
Die Workshops mit den anderen Kooperationspartner_innen in CaTSe haben einen spannenden Austausch und Einblick in andere Strukturen ermöglicht.

Wenn Sie sich vorstellen, es ist 2027 und das Projekt ist bestmöglich verlaufen, was sind drei Dinge, die passiert sind?

Beteiligte SSB: Wir stellen uns vor, bis Ende der Projektlaufzeit gemeinsam mit interessierten Stadtteilzentren zu dem von uns definierten Thema Einsamkeit* ein Projekt entwickelt und durchgeführt zu haben. Durch die Einbindung von relevanten Akteur_innen haben wir außerdem Erkenntnisse darüber gewonnen, wie partizipative Prozesse auf Stadtteilebene durchgeführt werden können. Die wissenschaftliche Begleitung durch die ASH Berlin hat einen Transfer der Ergebnisse ermöglicht und uns ebenfalls Impulse für partizipatives Arbeiten auf kommunaler Ebene gegeben.

Beteiligte Jugendamt: Ich wünsche mir, dass es durch das erfolgreich abgeschlossene Projekt mehr Aufgeschlossenheit gegenüber partizipativen Projekten, auch innerhalb der Verwaltung, gibt und dass mehr Menschen verstehen, warum die Arbeit der Servicestelle Partizipative Forschung so relevant ist. Dazu gehört, dass die beteiligten Menschen positive Erfahrungen innerhalb dieser Prozesse sammeln, die sie motivieren weiterzumachen. Als letztes wünsche ich mir, dass die Menschen und in meinem Fall insbesondere die Kinder und Jugendlichen im Bezirk von dem Projekt profitieren.

Beteiligte OE QPK: Wir hoffen, dass nach Ende der Projektlaufzeit Kenntnisse zu partizipativen Methoden und erste praktische Erfahrungen damit entstehen konnten. Außerdem konnte mindestens ein partizipatives Projekt erfolgreich umgesetzt werden. Partizipation scheint zunächst schwer greifbar, wenn es um die Finanzierung von Projekten geht. Oftmals müssen Projektanträge erfolgen, bevor überhaupt ein Beteiligungsprozess durchlaufen werden kann. Es gilt knappe Fristen und detaillierte Konzepte einzuhalten. Partizipative Prozesse, deren Ausgang ungewiss ist, finden im Fördersystem oftmals nicht genug Berücksichtigung. Ein bestmöglich verlaufendes Projekt liefert hoffentlich Impulse, Ideen und Mut zur Übernahme bzw. zum Entdecken dieser Herangehensweisen auch in anderen Projekten.


 

*Links zur bezirklichen Strategie gegen Einsamkeit:

https://www.berlin.de/ba-marzahn-hellersdorf/politik-und-verwaltung/bezirksamt/beschluesse/2023/artikel.1355376.php
https://www.berlin.de/ba-marzahn-hellersdorf/_assets/ba-beschluesse-2023/vzbbvv0518_vi_schritt_aus_einamkeit_ohne_anlage_2.pdf?ts=1705017663
https://www.berlin.de/ba-marzahn-hellersdorf/_assets/ba-beschluesse-2023/vzbbvv0518_vi_anlage_2_diskussionspapier.pdf?ts=1705017663