Diese Fragen beantworten die Studiengangsleiter/-innen im Wintersemester 2015/16 in den folgenden Statements:
B.A. SOZIALE ARBEIT
Prof. Dr. Jutta Hartmann
Die Arbeit mit Geflüchteten berührt grundlegende Fragen und Aufgaben der Sozialen Arbeit. Das Programm der Fokuswoche hat gezeigt, wie in der Bandbreite der Module des Studiengangs die jeweiligen Inhalte in ihrer Relevanz für migrationsgesellschaftliche Herausforderungen erkannt und entfaltet werden, z. B. über die Reflexion der Hintergründe von Fluchtursachen und globaler Ungleichheit, über Fragen zu den Rechten von und speziellen Angeboten für queer refugees im Aufnahmeland, über die Analyse diskursiver Mechanismen der Angstgenerierung und Krisenrhetorik, über Musik- und Filmprojekte zur kritischen Auseinandersetzung mit der aktuellen Situation oder über ein Positionspapier zu professionellen Standards in der Sozialen Arbeit mit Geflüchteten in Gemeinschaftsunterkünften.
Vorliegende Handlungskonzepte der Sozialen Arbeit sind situationsspezifisch zu differenzieren und entlang neuer Herausforderungen in den Arbeitsfeldern (weiter) zu entwickeln. Dabei ist die aktuelle Situation durch Spannungen gekennzeichnet, die aus der rechtlichen Schlechterstellung von Geflüchteten sowie einer unzureichenden Ausstattung mit Ressourcen auf der einen Seite und aus den fachlichen wie berufsethischen Standards Sozialer Arbeit auf der anderen Seite entstehen. Dies fordert eine professionelle Selbstverständigung ein. Qualitätsstandards müssen eingehalten und Angebote weiter geöffnet bzw. neu eingerichtet werden.
B.A. BASA-ONLINE
Prof. Dr. Hedwig Rosa Griesehop
Der berufsbegleitende onlinebasierte Studiengang Soziale Arbeit (BASA-online) wird im Hochschulverbund (HS Fulda, FH Koblenz, FH Potsdam, HS München, FH Münster, HS RheinMain) realisiert. Im Verbund gibt es Überlegungen BASA-online für Bewerber/-innen im Flüchtlings-/Asylstatus zu öffnen, nicht zuletzt, weil es über Jahrzehnte hinweg Beratungs- und Integrationsaufgaben im Kontext der Sozialen Arbeit professionell zu gestalten gilt. Eine Überlegung geht dahin, den Studieneinstieg über Vorbereitungskurse zu ermöglichen, die als wissenschaftliche Weiterbildung zertifiziert, als blended learning-Veranstaltungen konzipiert und nach erfolgreicher Teilnahme auf das Studium BASA-online angerechnet werden.
B.A. ERZIEHUNG UND BILDUNG IM KINDESALTER
Prof. Dr. Iris Nentwig-Gesemann
Die inklusive Arbeit mit allen Kindern und Familien sowie die Festigung einer selbst-reflexiven, diversitätsbewussten und ethischen Grundhaltung, die sich an Menschen- und Kinderrechten orientiert, zählen von Beginn an zu den zentralen Querschnittthemen des Studiengangs. Daher können die spezifischen professionellen Herausforderungen, die in Bezug auf die Arbeit mit geflüchteten Kindern und ihren Familien in den nächsten Jahren zu bewältigen sein werden, unmittelbar in allen bestehenden Modulen berücksichtigt werden. Einige Themen (z. B. psychosoziale Folgen von Fluchterfahrungen; interreligiöse Pädagogik; Umgang von Fachkräften mit Fremdenfeindlichkeit und rechtsextremen Orientierungen; Deutsch als Zweitsprache) müssen allerdings kurz- und mittelfristig neu in den Studiengang integriert werden. Kindheitspädagoginnen und -pädagogen werden damit als besonders qualifizierte Expertinnen und Experten Kita- und Grundschul-Teams in ihrem professionellen Umgang mit der Flucht-Thematik stärken können. Im Sommersemester 2016 wird eine Teilgruppe von Studierenden gezielt auf ihr 12-wöchiges Praktikum im Bereich der Arbeit mit geflüchteten Kindern und Familien vorbereitet und intensiv begleitet. Die Frühpädagogische Abendvorlesung wird zum ersten Mal unter einem Rahmenthema stehen und Vorträge zum Thema Frühpädagogik und Flucht anbieten.
B.A. GESUNDHEITS- UND PFLEGEMANAGEMENT (MQG)
Prof. Dr. Peter Hensen
Berührungspunkte zwischen der Arbeit mit Geflüchteten und dem B.A. MQG bestehen nicht strukturell, werden aber durch das persönliche Interesse einzelner Studierender sichtbar, beispielsweise bei der Themenwahl von Abschlussarbeiten. In Zukunft sind aber auch Projektangebote denkbar, die sich mit der Situation von Geflüchteten aus verschiedenen Blickwinkeln des Gesundheitswesens auseinandersetzen (z. B. Versorgungsfragen, Arbeitsmarktfragen).
Die zu uns kommenden Menschen mit Fluchtgeschichte wurden von der Politik bereits als Lösung des „demografischen Fachkräftemangels“ identifiziert. Tatsächlich kann aber niemand verlässlich voraussagen, ob und inwieweit die jetzt ankommenden Menschen Strukturen oder Professionen im Gesundheitswesen verändern werden. Hier sind vor allem die Berufsorganisationen und Arbeitgeber/-innen gefragt, über den notwendigen Spracherwerb hinaus auch die passenden Ausbildungsangebote zu schaffen und berufsbezogene Anpassungs- und Aufbauqualifizierungen zu ermöglichen.
B.A. PHYSIOTHERAPIE/ ERGOTHERAPIE (PT/ET)
Prof. Dr. Heidi Höppner
Aktuell sind mir drei Projekte bekannt, die im Studiengang konkret gesundheitsrelevante Fragen in der Arbeit mit Flüchtlingen aufgreifen: Das GIFF – Gesundheitsinformationen für geflüchtete Menschen von Gastdozentin Claudia Markert. Außerdem ist seit 2014 eine Lehrbeauftragte, Frau Redel, im Studiengang tätig, die Expertin in der Körperarbeit mit Menschen nach traumatischen Erfahrungen ist. Acht Studentinnen waren zudem fleißige Helferinnen auf der Weihnachtsfeier in der Unterkunft Maxie-Wander-Straße.
Aktuell stellen sich in erster Linie Fragen nach bedarfsgerechter gesundheitlicher Versorgung von Flüchtlingen, z. B. auch durch Physio- und Ergotherapie. Schmerzen sind häufig Anzeichen von psychosozialer Belastung bzw. Desintegration – beides müssen wir bei Geflüchteten annehmen.
Längerfristig wäre wünschenswert, recht bald auch Geflüchtete im Studiengang der Physio- oder Ergotherapie aufzunehmen. Im Sinne einer größeren kulturellen Vielfalt in der PT/ET ist das Studium eine Chance für sie, aber auch für die Berufe. So wäre es möglich, bald bedarfs- und bedürfnisgerechte Therapieangebote machen zu können. Dazu bedarf es der Integration der Geflüchteten in ein Studium und in den Beruf – möglichst schnell.
M.A. PRAXISFORSCHUNG IN SOZIALER ARBEIT UND PÄDAGOGIK (MA PSP)
Prof. Dr. Regina Rätz
Im M.A. PSP gehören bereits seit Jahren Themen zu den Folgen globaler Entwicklungen mit u. a. Flucht, Migration, Rassismus zum Studienprogramm. Diese werden von ausgewiesenen Hochschullehrenden vertreten. Die Studierenden selbst erforschen diese Themen häufig in ihren empirischen Arbeiten, welche u. a. den gesellschaftlichen Wandel, die Lebenslagen der Betroffenen und die Herausforderungen für die Professionen Soziale Arbeit und Frühpädagogik umfassen. In diesen Studien wird deutlich, wie sehr aktuelle Themen der Sozialen Arbeit und Pädagogik mit Bedingungen und Entwicklungen an ganz anderen Orten der Welt verbunden sind. Beispielsweise wird dies in Mehrgenerationenstudien auf der Mikroebene der Analyse, aber auch durch Forschungen auf der Makroebene von Gesellschaften deutlich. Ein großer Teil der Studierenden und Lehrenden ist darüber hinaus selbst (ehrenamtlich) in der Arbeit mit Geflüchteten tätig.
Die Herausforderungen einer kultursensiblen, inter- und transkulturellen Sozialen Arbeit und Pädagogik rückt stärker als bisher in den Blick der Profession.
M.A. MANAGEMENT UND QUALITÄTSENTWICKLUNG IM GESUNDHEITSWESEN
Prof. Dr. Gudrun Piechotta-Henze
Im Moment gibt es kaum Berührungspunkte mit der Flüchtlingsarbeit, aber es wird sie kurz- und vor allem langfristig geben, dann allerdings nicht als Berührungspunkte, sondern vielmehr als Zusammenarbeit auf unterschiedlichsten Ebenen und in unterschiedlichsten Bereichen. Im Vordergrund wird dann sicherlich stehen, einst geflüchtete Personen für pflegerische Tätigkeitsbereiche zu qualifizieren. Dazu werden die Anerkennung und (Nach-)Qualifizierung von Personen, die bereits im Herkunftsland eine pflegerische Ausbildung abgeschlossen haben, zählen, aber auch Qualifizierungsmaßnahmen für Personen, die motiviert sind, im Pflegebereich tätig zu sein. Damit ist die große Chance verbunden, mehr Pflegepersonal zu gewinnen und den Pflege- und Gesundheitsbereich transkulturell zu öffnen.
M.A. SOZIALE ARBEIT ALS MENSCHENRECHTSPROFESSION
Prof. Dr. Nivedita Prasad
Der deutschsprachige Masterstudiengang Soziale Arbeit als Menschenrechtsprofession ist berufsbegleitend; seit jeher sind Sozialarbeiter/-innen aus dem Bereich Flucht und Migration (überproportional) unter den Studierenden. Sie wählen diesen Studiengang u. a., weil sie in der Praxis Menschenrechtsverletzungen an Geflüchteten in Deutschland beobachten und hierfür Interventionsstrategien, Analyseinstrumente und Argumentationshilfen suchen. So war es nur folgerichtig, dass der Studiengang 2015 erstmals einen kostenlosen Studienplatz für eine Geflüchtete zur Verfügung gestellt hat.
Die aktuelle Situation bringt es mit sich, dass Mindeststandards in der Flüchtlingsarbeit unterlaufen werden, sodass eine professionsethisch vertretbare Arbeit derzeit kaum möglich erscheint. Studierende sowie Absolvent/-innen und Absolventen versuchen, dies im Rahmen ihrer Forschungsarbeiten zu thematisieren und sich mit den Ergebnissen in entsprechenden politischen Debatten einzubringen.
M.A. SOZIALMANAGEMENT
Prof. Dr. Heinz Stapf-Finé
Im Masterstudiengang Sozialmanagement, der Praktiker/-innen zur Weiterbildung offensteht, gibt es Berührungspunkte zur Arbeit mit Geflüchteten in fast allen Bereichen.
Das reicht von der Arbeit in Notunterkünften (ehrenamtlich und hauptamtlich), Arbeit in Facheinrichtungen mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen und Notunterbringung solcher Menschen in Jugendeinrichtungen, Umgang mit einer desillusionierten und teilweise funktionsuntüch-tigen Verwaltung (besonders Berlin) bis hin zu gut durchgeführten kommunalen Systemen der Flüchtlingsbetreuung (z. B. Wuppertal). Auch der Sozialneid traditioneller Klientinnen und Klienten in Bezug auf Flüchtlinge wird problematisiert. Besonders starker Berührungspunkt ist, die Arbeit trotz des akuten Fachkräftemangels und der massiven neuen Anforderungen mit sehr wenigen Fachkräften und vielen, vielen Ehrenamtlichen zu bewältigen. Hier gibt es auch Unmut gegenüber der Politik, die Ausbildung von Sozialarbeitenden nicht auszubauen. Auch die Erwartungen an Hochschulen sind groß, innovativ und kreativ mit Eigenmitteln schnellstens die Ausbildung auszudehnen.
Mit Sorge wird beobachtet, dass Fachlichkeit infrage gestellt wird, da offensichtlich vieles von Ehrenamtlichen geleistet wird, was bisher als nur von Hauptamtlichen machbar galt. In einigen Bereichen, z. B. Ehrenamtsmanagement, sind die in den letzten Jahren ausgebauten professionellen Systeme in Windeseile von leistungsfähigeren ehrenamtlichen Systemen ersetzt worden.
M.A. INTERCULTURAL CONFLICT MANAGEMENT
Prof. Johannes Kniffki
Der weiterbildende Master Intercultural Conflict Management in englischer Sprache und Gestión de Conflictos Interculturales in spanischer Sprache ist als interdisziplinärer anwendungsorientierter und internationaler Master konzipiert. Anwendungsorientiert ist der Master, weil er aktuelle soziale, politische und gesellschaftliche Phänomene aufgreift und sie dahingehend analysiert, wie mit diesen sozialen Welten, d. h. sozialen Wirklichkeiten angemessen, angepasst und sensibel gearbeitet werden kann. International ist das Studienprogramm, weil Studierende aus der ganzen Welt ein lebendes Laboratorium bilden und aktuelle soziale Konflikte dadurch immer auch auf internationale Perspektiven und Konsequenzen hin überprüft werden. Mit den aktuellen politischen und gesellschaftlichen Krisen in Europa und Deutschland, die einen tiefen gesellschaftlichen Wandel heute schon zeitigen, fällt dem Studienprogramm ein Feld in die Hände, wie es bislang nicht gedacht war. Die deutsche Gesellschaft wird zu einem „Studienobjekt“ des ICM par excellence. Insofern werden die Studierenden beider Studienprogramme nicht nur in ihren Forschungen, sondern auch in den Seminaren eine nie gedachte Gelegenheit haben, ihr Studium international, interdisziplinär und international in situ zu entwickeln. Die bevorstehende Reakkreditierung wird den gesellschaftlichen Wandel konsequenterweise aufgreifen.