Erst einige Tage ist sie zurück in Deutschland. Die Dame, die da mit dem Chihuahua Mäxchen auf dem Arm im Innenhof der ASH Berlin sitzt, musste sich vor dem Ausflug nach Berlin von ihrem Besuch der Galapagosinseln erholen. Dort wollte sie sich die „Viecher“, wie sie die dortigen, Dinosaurier-ähnlichen Echsen nennt, die sich aus längst vergangener Urzeit an diesen Ort verirrt haben könnten, einmal aus der Nähe anschauen.
Das Hellersdorfer Hochschulgebäude kannte sie noch nicht. Kein Wunder, 1965, vor sage und schreibe runden 50 Jahren machte Alumna Katrin Schmalfeldt ihren Abschluss an der heutigen Alice Salomon Hochschule, die damals noch Alice-Salomon-Schule hieß. Trotzdem fühlt Sie sich mit dem Geist ihrer alten Ausbildungsstätte und den Studierenden um sie herum verbunden. Erinnert sie die Zeit, sprudelt es nur so aus ihr heraus – und gleichzeitig erfährt, wer ihr zuhört, wie sich die Soziale Arbeit und auch die Hochschule in diesem halben Jahrhundert veränderten.
Bewegte 60er-Jahre
1962, als Schmalfeldt ihre Ausbildung begann, gehörte sie zum ersten Jahrgang, bei dem sich die Ausbildung über drei Jahre erstreckte, statt wie bis dato üblich nur auf zwei. 90 Schüler verteilten sich auf drei Jahrgänge im „Seminar für Soziale Arbeit“ in Schöneberg, während sich heute fast 3.500 Studierende am Hellersdorfer Alice-Salomon-Platz tummeln.
In diesen bewegten 60er-Jahren wandelte sich auch die Schule. Die langjährige Direktorin Erna Runkel hatte als ihre Nachfolgerin die junge Helga Danzig auserkoren, die 1963 mit gerade einmal 34 Jahren das Amt übernahm.
Für Katrin Schmalfeldt ein einschneidender Wechsel, der von der Leitung ausgehend einen Wandel anschob. „Mit Frau Danzig ging die Sonne auf“, blickt Schmalfeldt zurück auf die ersten Jahre mit der neuen Direktorin, mit der sie heute freundschaftlich verbunden ist. Hatten vor der manchmal sehr autoritären Erna Runkel, „die aus der Generation meiner Eltern kam“ noch „alle Angst“, brachte Danzig, „die einen unheimlichen Charme versprühte, sehr viel Menschlichkeit mit. Sie hat sich sehr darum gekümmert und eingesetzt, dass ihre Studierenden den Abschluss schaffen“, lobt Schmalfeldt die Freundin. In der 10. Klasse verließ Danzig 1945 das Gymnasium und floh, ehe sie 1947 zur Stiefmutter zurückkehren musste, um ihren kranken Bruder zu pflegen. Das Abitur holte sie im Abendgymnasium nach und war in Schöneberg im Jugendamt tätig, studierte Jura in Tübingen und arbeitete für den paritätischen Wohlfahrtsverband, ehe Erna Runkel sie zurück nach Berlin an die Hochschule holte. Sie blieb bis 1970, als aus der höheren Fachschule eine Fachhochschule wurde, um deren Leitung sich Danzig nicht mehr beworben hatte.
„Die Praktika waren einschneidende Erlebnisse“
Noch beim 30. Jubiläum war die damals 66-jährige Danzig 1995 nach Hamburg gekommen, um zu sehen, was aus den Anvertrauten von damals geworden war. Schmalfeldt hatte das Jubiläumstreffen in einer Hamburger Kneipe eingefädelt.
Neben der Studienfahrt, die ihre Klasse nach Wien führte, bezeichnet Schmalfeldt die Praktika während ihrer Ausbildung als einschneidende Erlebnisse, wo sie erst bei einem Besuchsdienst „ein Verständnis für die Nöte der alten Leute“ entwickelte und später ein halbes Jahr in Hamburg Obdachlose betreute. Hamburg und Berlin, das sind die beiden Orte, die Schmalfeldts berufliche Laufbahn prägten. Sie war im Jugendamt Schöneberg und beim Sozialamt tätig, später bei der Bewährungshilfe. Im Zuge „des Aufbau Ost“ ging sie nach Mecklenburg-Vorpommern. In Hamburg betreute sie Kinder in „schrecklichen Verhältnissen als Sozialarbeiterin.“ Steter Begleiter auf ihrem Weg, war ihre „freche Klappe“, was sicherlich niemand anzweifeln wird, der Zeit mit Schmalfeldt verbringt.
„Nicht nur aus schlauen Büchern zu lernen.“
Die Frau ruht in sich, wie sie auf dem Stuhl im Schatten der Eiche im Inneren der ASH Berlin sitzt, und genießt es, die jungen Menschen um sich herum zu beobachten. Beinahe spricht sie zu ihnen, wenn sie erklärt, „den akademischen Aufschwung finde ich gut“, um gleich anzuschließen „aber man darf sich nicht zu sehr von den Leuten entfernen, die man betreut.“ Immerhin 13 Praktikantinnen und Praktikanten hat Schmalfeldt während ihrer Laufbahn betreut. Die Realität lernten alle von denen kennen und in der „frühstücken einige erst nachmittags ihr Nutella-Brot“, daher würde sie den Studierenden den Rat geben, „nicht nur aus schlauen Büchern zu lernen.“ Mit einem Lächeln bringt sie ihr Verständnis der Sozialen Arbeit auf den Punkt: „Man muss mit den Leuten Spaß haben! Wer das ganze Leid der Welt in Ordnung bringen will, kann nicht die Leute retten.“ Ein Rat, der sicher auch in 50 Jahren noch gelten wird.