Seit März 2017 arbeite ich als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Projekt „Demokratieferne Einstellungen in einer Kommune. Das Beispiel Marzahn-Hellersdorf“. In dem Projekt, das von Prof. Dr. Michael Brodowski und Prof. Dr. Heinz Stapf-Finé geleitet wird, untersuchen wir am Beispiel Marzahn-Hellersdorf, welche Beweggründe für unterschiedliche Bevölkerungsgruppen maßgeblich sind, sich vom (demokratischen) Gemeinwesen abzuwenden und/oder sich für antidemokratische/menschenfeindliche Ressentiments zu öffnen. Aus mehreren Gründen bin ich vom Projekt begeistert und habe mich als Mitersteller des Forschungsantrages zuvor dafür eingesetzt:
Verlockend für mich ist zunächst die Möglichkeit, als Zeithistoriker, Philosoph und Politikwissenschaftler transdisziplinär mit Kolleg_innen aus den verschiedensten Disziplinen zusammenzuarbeiten.
In unser Projekt kann ich meine jahrelangen Studien zur DDR-Alltagsgeschichte und zum Zusammenhang zwischen Nachwendezeit und gegenwärtiger Situation der „neuen Bundesländer“ einbringen. Auch meine Forschungen zur Demokratietheorie kann ich in einem tollen kollegialen Umfeld diskutieren und ausarbeiten. Meine jahrelange Beschäftigung mit Demokratiedistanz und der Austausch mit den neuen Kolleg_innen haben mich theoretisch dazu inspiriert, dieses Phänomen begrifflich zu differenzieren als „Demokratieentfremdung“, „-gleichgültigkeit“, „rigide Demokratieverdrossenheit“ und „-feindlichkeit“. Diese Begriffsstruktur hilft auch dabei – und das ist die Stärke unseres Forschungsprojektes –, gesellschaftlichen Akteuren zielgruppenspezifische Maßnahmen zu empfehlen. Indes: Im Rahmen unserer empirischen Forschungen müssen sich nun diese Begrifflichkeiten, die ich im ersten Zwischenbericht vorstellen konnte, an der Wirklichkeit „bewähren“.
Als ehemaliger Polis*-Koordinator in der „Bezirklichen Koordinierungsstelle für Demokratieentwicklung“ in Marzahn-Hellersdorf kommt mir das „Zwischen-den-Stühlen-Sitzen“ zwischen Theorie und Praxis, sehr gelegen. Unser interdisziplinäres Projekt gibt meinen Kolleg_innen und mir die Möglichkeit, etwas mehr über die Menschen in Marzahn-Hellersdorf und ihre (Lebens-)Welt(-en) zu erfahren; und dies jenseits der den Menschen im Bezirk gegenüber häufig vorgebrachten Vorurteile. Zugleich hat unser Projekt das Potential, über Marzahn-Hellersdorf hinaus ein wichtiger Beitrag zur allgemeinen Forschungsdebatte zu werden. Reims trifft Marzahn-Hellersdorf.
Als „Arbeiterkind“, das während der Nachwendejahre in einem ostdeutschen Plattenbaugebiet sozialisiert wurde, kann ich, neben wissenschaftlichen, auch persönliche Interessen an diesem Projekt nicht verhehlen, geht es doch darum herauszufinden, wie die (soziale und psychische) Situation der Menschen im Bezirk sowie ihre (nicht selten leidvollen) Lebensgeschichten mit ihren vielfältigen Einstellungen zur Demokratie zusammenhängen.
Kontakt:
hannemann@ ash-berlin.eu