Menschen Ergotherapie im Gefängnis

Barbara Pulfer hat ihren Bachelor in Ergotherapie an der ASH Berlin gemacht. Danach führte sie ihr Werdegang nach London und in den Bereich der forensischen Psychiatrie.

Frau Pulfer, bereits während ihrer Ausbildung zur staatlich anerkannten Ergotherapeutin haben Sie sich auf die forensische Psychiatrie spezialisiert. Wie ging es danach weiter?

Als ich mal wieder mit meinem Beruf haderte, hörte ich von der Möglichkeit eines Studiums an der ASH Berlin und entschloss mich, meinem Beruf eine zweite Chance zu geben. Meine Bachelorarbeit widmete ich auch dem Thema Forensik.

Danach zog es Sie nach London.

Ja, ich ging direkt im Anschluss an den Bachelor 2008 ans King’s College in London, um einen Master in ‘Clinical Forensic Psychiatry’ zu machen. Das ist ein berufsbegleitender Studiengang für im forensischen Bereich tätige Psychiater/-innen. Ich wurde überraschenderweise als erste Ergotherapeutin in den Studiengang aufgenommen.

Das heißt, dass Sie sich in London dann auch einen Job suchen mussten?

Ja, ich fand eine Stelle im ‘High Secure Hospital’ in einer Abteilung, die auf die Behandlung schwerster Gewalt- und Sexualstraftäter mit schweren Persönlichkeitsstörungen spezialisiert war. In England gab es relativ viele Stellen für Ergotherapeuten und man bewirbt sich in einem einfachen Verfahren online anonym. 

War es nicht anstrengend, daneben noch zu studieren?

Das war sehr herausfordernd, aber auch spannend. Zufällig gab es eine Kooperation mit einer deutschen Maßregelvollzugsklinik, mit der ich auch schon für meinen Bachelor Kontakt gehabt hatte. So konnte ich meinen Master an den Bachelor anknüpfen und Daten einer deutschen Klinik und eines ergotherapeutischen Themas für den nicht-ergotherapeutischen Abschluss in England verwenden.

Wie haben Sie den Berufseinstieg zurück in Deutschland erlebt?

Der Wiedereinstieg in Deutschland war nach zusätzlich verstrichener Elternzeit einfach: Ein alter Kollege machte mich auf eine Stelle im forensischen Bereich aufmerksam und ich wurde genommen.

Momentan befinden Sie sich in Elternzeit, können Sie uns ein wenig über ihre letzte Arbeitsstelle erzählen?

Ich habe als Bezugsbetreuerin in einer kleinen halb-offenen Einrichtung gearbeitet. Wir bereiten dort psychisch Kranke aus der Maßregelvollzugsklinik auf die Entlassung in die Bewährung vor. Ein multidisziplinäres Team aus Sozialpädagoginnen und -pädagogen, Pädagoginnen und Pädagogen, Psychologinnen und Psychologen sowie Ergotherapeutinnen und -therapeuten begleitet die 20 Klienten individuell. Die Teams werden nicht nach Berufsgruppen sortiert und jeder trägt aus dem eigenen Blickwinkel und Erfahrungsschatz etwas bei. Das weiß ich sehr zu schätzen.

Wie bereiten Sie die Klienten auf ihre Entlassung vor?

Ein hohes Augenmerk liegt auf dem Aufbau einer Tagesstruktur – eine Grundvoraussetzung für die Entlassung aus dem Maßregelvollzug. Viel läuft über Gesprächsführung und individuelle Begleitung. Ich lege Wert darauf, meine Termine mit den Klienten möglichst aktiv zu gestalten, ganz im Sinne der Wiederherstellung der Handlungsfähigkeit und der Aktivität als therapeutisches Medium. Dies sind Bestandteile der Ergotherapie.

Können Sie ein paar Beispiele für derlei Aktivitäten nennen?

Die Aktivitäten richten sich ganz nach den Vorlieben und Möglichkeiten des Klienten. Das kann ein einfacher Spaziergang sein oder eine Radtour, gemeinsames Kochen, Museumsbesuche oder Konzertbesuche. Insgesamt lege ich Wert darauf, dem Klienten einerseits Lust auf das Leben zu machen, etwas zu genießen, vielleicht etwas Neues zu zeigen. Manchmal reicht es dafür schon, zusammen Kaffee zu trinken oder in die Natur zu fahren. Andererseits sollen die Aktivitäten derart sein, dass der Klient sie möglicherweise auch ohne Begleitung in Zukunft ausführen kann. Eine Anbindung an einen Verein oder eine andere soziale Struktur kann dafür eine gute Grundlage sein.

Noch einmal ein Blick zurück, was hat Sie während des Studiums in Bezug auf den späteren Berufseinstieg vorbereitet?

Insgesamt hat das Studium mein Interesse an meinem Beruf deutlich vertieft und mir die Weichen gestellt, mich weiter zu spezialisieren. Wissenschaftliches Arbeiten hat mir Spaß gemacht und die Recherchen im Studium haben mich in den englischsprachigen Raum geführt.

Was haben Sie in England für Erfahrungen machen können?

Als ich in England mit Psychiatern zusammen studierte, fielen viele Vorurteile in Bezug darauf, dass Mediziner grundsätzlich besser ausgebildet seien oder mehr können. Im Gegenteil, der breitere Blickwinkel der Ergotherapie hat viele Vorteile und weiß Lösungen, wo die Psychiater wenig anzubieten haben. Und an der ASH Berlin habe ich mehr über qualitative Forschungsmethoden gelernt, als in London an einer sogenannten Elitehochschule angeboten wurde. Der dortige Fokus ist eindeutig naturwissenschaftlich quantitativ und stößt so schnell an Grenzen, wie ich finde. 

Eine letzte Frage: Haben Sie noch einen Tipp für Studierende der ASH Berlin?

Seiner Leidenschaft folgen und frohen Mutes sein.

Vielen Dank für das Gespräch!