Bitte stellen Sie sich kurz vor.
Mein Name ist Andrea Ohloff, ich bin 34 Jahre alt, in (Ost-)Berlin aufgewachsen und habe nach einem Freiwilligenjahr (EFD) in Bosnien-Herzegowina, Soziale Arbeit, zugegebenermaßen als NC-Flüchtling, in Wien studiert. Anschließend habe ich die staatliche Anerkennung in Deutschland gemacht und war fünfeinhalb Jahre in der offenen Jugendarbeit in Brandenburg tätig. In dieser Zeit habe ich mich zur Mediatorin ausbilden lassen und entschloss mich 2008, meine Arbeit zu beenden, um mit dem Masterstudiengang Intercultural Conflict Management (ICM) an meine Erfahrungen aus dem Jahr in Bosnien anzuknüpfen.
Wie war Ihr Studienverlauf vor dem Master?
Ich habe mich im Rahmen meines Studiums der Sozialen Arbeit durch Wahlmodule zum einen in der offenen Jugendarbeit und zum anderen in der Arbeit mit Frauen bzw. Müttern in Haft im Praxissemester und der Diplomarbeit intensiver auseinandergesetzt. Neben dem Studium war ich bereits in der Haftentlassenenhilfe und als persönliche Assistentin für Menschen mit Behinderung tätig. Mein Wahlprüfungsfach hatte einen interkulturellen Schwerpunkt. Ich habe damals versucht, möglichst vielseitige Erfahrungen zu sammeln, um mich später gezielt für einen Zweig der Sozialarbeit entscheiden zu können.
Wie hat Ihnen der Master ICM gefallen?
Der Masterstudiengang hat mich sehr gefordert, vor allem durch die Dichte der zu produzierenden Hausarbeiten und Referate. Beizeiten war der Druck sehr hoch und in Phasen des distance learning, ohne direkten Austausch mit Kommilitoninnen und Kommilitonen und Lehrenden war das Durchhalten nicht einfach.
Besonders gut gefallen hat mir am ICM die Fülle der Themen, die Bandbreite, die wir in den verschiedenen Modulen behandeln konnten, wobei leider nicht viel Zeit zur Vertiefung blieb. Sehr wertvoll finde ich den Ansatz, dass in der Praxis stehende Dozentinnen und Dozenten im ICM Studiengang lehren.
Auch Sie konnten bereits praxisnahe Erfahrungen während des Masters sammeln.
Ja,durch meine Masterarbeit. Sie stellte abermals die Erfahrungen von Frauen in den Mittelpunkt, diesmal im Kontext des bewaffnetem Konflikts und des Peacebuilding in Nordirland. Ich habe für diese Arbeit einen Forschungsaufenthalt in Nordirland mit einem Praktikum bei der Organisation Mediation Northern Ireland verbunden und konnte praxisnahe Erfahrungen in der Arbeit mit katholischen und protestantischen Gemeinden sammeln. Ich denke, solch ein Auslands- bzw. Forschungsaufenthalt ist besonders gewinnbringend für die Studierenden, da es ein erster Schritt in die Praxis, in die Anwendung des erworbenen Wissens sein kann.
Wie war das Verhältnis der Studierenden unterschiedlicher Nationalitäten untereinander?
Ohne die genauen Zahlen im Kopf parat zu haben, würde ich sagen, wir waren etwa 12 Nationalitäten und ca. 75 % der Studierenden hatten einen internationalen Hintergrund, lebten teilweise aber auch schon vorher in Deutschland. Insgesamt überwogen europäische Teilnehmende. Es war dennoch eine recht internationale Atmosphäre in unserem Jahrgang spürbar und wir konnten immer wieder von den Erfahrungen und Beispielen der Kommilitoninnen und Kommilitonen aus den unterschiedlichen Ländern profitieren. Die Studierenden unseres Jahrganges gehörten eher einer bildungsnahen privilegierten Gesellschaftsschicht an und kaum eine oder einer stammte aus dem globalen Süden. Eine größere Diversität wäre sehr wünschenswert, auch hinsichtlich Gender.
Konnte der Master Sie auf den späteren Berufseinstieg vorbereiten?
Das Studium hat mir im wesentlichen Grundlagenwissen vermittelt. Für meinen Berufseinstieg in diesem Bereich war außerdem die (selbstorganisierte) Auslandserfahrung während meines Forschungsaufenthaltes in Nordirland hilfreich. Darüber hinaus war die Referenz durch einen Dozenten unterstützend.
Für meinen Berufseinstieg nach dem ICM waren aber auch meine Berufserfahrung als Sozialarbeiterin, die Zusatzausbildung zur Mediatorin und das Auslandsjahr in Bosnien wichtig. Ich denke, ohne dies wäre ein Berufseinstieg deutlich schwieriger geworden.
Jetzt arbeiten Sie bei der KURVE Wustrow.
Ja. Mein Berufseinstieg nach dem Master erfolgte noch vor Beendigung meiner Masterarbeit bei einem der wenigen Träger des ZFD Programms (Ziviler Friedensdienst), der KURVE Wustrow – Bildungs- und Begegnungsstätte für gewaltfreie Aktion e.V. Hier arbeite ich seit März 2010 im Bereich Internationale Trainings. Zu meinen Aufgaben dort gehören die Koordination, Durchführung und konzeptionelle Weiterentwicklung der Internationalen Trainings der KURVE Wustrow. Im Einzelnen umfassen meine Aufgaben die Beantragung von Fördermitteln, die Ausschreibung der Trainingsangebote, Entwicklung neuer Trainings, Stipendienvergabe, die Betreuung der internationalen Trainer/-innen und Teilnehmenden, die Organisation des Programmes bis hin zur Abrechnung der Fördergelder. Besonders die Begegnung mit Frauen und Männern, die in ihren Heimatländern an der Bearbeitung von Konflikten in der Gesellschaft aktiv beteiligt sind, ist für mich sehr bereichernd.
Haben Sie noch einen Tipp für Studierende, wie sie sich schon während der Studienzeit auf den späteren Beruf vorbereiten können?
- Spezialisierung in den Bereichen, in denen man später tätig sein will, z. B. durch die Forschung für die Masterarbeit
- Für die Forschung eine Zusammenarbeit mit relevanten Organisationen anstreben
- Praktikum bei relevanten Organisationen eventuell mit Auslandserfahrung oder Forschungsaufenthalt verbinden
- Für Studierende, die von Deutschland aus auf Jobsuche sind: Es gibt einige interessante Jahrestagungen oder Konferenzen, auf denen sie sich nicht nur thematisch informieren können, sondern auch die Gelegenheit haben, mögliche zukünftige Arbeitgeber kennenzulernen (z. B. Jahrestagung der Plattform Zivile Konfliktbearbeitung: www.konfliktbearbeitung.net)
- Zusätzlich zur akademischen Ausbildung praxisnahe Fortbildungen zum Beispiel im Do no harm absolvieren
Haben Sie weitere Pläne für die Zukunft?
Nach dreijähriger Tätigkeit für die KURVE Wustrow gehe ich nun in Elternzeit. Ich werde in dieser Zeit mit der KURVE Wustrow in Kontakt bleiben, um meine Weiterbeschäftigung zu planen. Ich kann mir für die nächsten Jahre insbesondere auch eine Tätigkeit als Friedensfachkraft vorstellen.
Die Fragen stellte Barbara Halstenberg