Forschung Können Senior_innen und Roboter voneinander lernen?

Das Projekt Humanoide Robotik in Seniorenwohnanlagen (RoSen)

Ein Mann und ein weißer Roboter sitzen mit dem Rücken aneinandergelehnt auf einer Wiese
Forschungslabor Neurorobotik

In den letzten Jahren hat es durch intensive Forschung einen deutlichen Wissens- und Erkenntnisgewinn im Bereich der humanoiden Robotik gegeben. So können humanoide Roboter ältere Menschen in der eigenen Häuslichkeit im Alltag unterstützen und die Eigenständigkeit erhalten und fördern (Lengert-Brzozowski et al. 2021).

Das Projekt RoSen eruiert Bedürfnisse und Erwartungen der potenziellen Anwender_innen an einen humanoiden Roboter. Dabei wird die Zusammenarbeit der Studierenden des Studiengangs „Humanoide Robotik“ der Berliner Hochschule für Technik (BTH) mit Senior_innen der Bau- und Wohnungsgenossenschaft von 1892 eG aus sozialwissenschaftlicher Sicht von Mitarbeiter_innen der Alice Salomon Hochschule Berlin (ASH) begleitet.

Besonderer Fokus liegt auf der Evaluation der Interaktion der Studierenden mit den Senior_innen. Angehende Ingenieur_innen werden im Projekt deutlich früher und intensiver mit potenziellen Anwender_innen zusammengebracht. Die Studierenden sollen Ideen entwickeln, den humanoiden Roboter Myon nutzer_innenorientiert weiter zu entwickeln. Ziel ist, Handlungsempfehlungen für die künftige Weiterentwicklung des Studienganges „Humanoide Robotik“ der BHT zu geben. Für das Projektvorhaben steht die Roboterplattform „Myon“ zur Verfügung. In der Interaktion mit Senior_innen geht es nicht um die reine Bedürfniserfüllung älterer Menschen, sondern auch um den gegenseitigen Lernprozess und das Vermitteln von Handlungsabläufen an den lernfähigen Roboter „Myon“.

Die wichtigsten Fragestellungen im RoSen-Projekt:

Welche Roboterakzeptanz besteht bei älteren Menschen in Seniorenwohnanlagen? Welchen Einfluss haben Lebensqualität, sozioökonomischer Status, Einsamkeit und Depressionen auf die Akzeptanz eines Roboters? Welche Ängste und Befürchtungen haben Senior_innen in Bezug auf humanoide Roboter in der Häuslichkeit?

Erste Ergebnisse der Querschnittsbefragung mit Senior_innen der 1892 eG

N = 61 Senior_innen nahmen an der Querschnittbefragung teil, das entspricht einer Rücklaufquote von 23,8 %. Durchschnittlich sind die Teilnehmenden 76,7 Jahre alt und mehrheitlich weiblich (66 %). Die durchschnittliche Akzeptanz eines Roboters liegt mit 56,09 im mittleren Wertebereich. Das Alter hat zudem einen signifikanten Einfluss auf die Roboterakzeptanz, die mit jedem zusätzlichen Altersjahr sinkt. Einen weiteren signifikanten Einfluss hat das Geschlecht auf die Roboterakzeptanz. Die Ergebnisse zeigen, dass Männer eher einen Roboter akzeptieren, als Frauen. Durch statistische Analysen zeigte sich, dass Lebensqualität, sozioökonomischer Status, Einsamkeit und Depressionen in dieser Stichprobe keinen Einfluss auf die Akzeptanz eines Roboters haben. 33 % der Befragten gaben an, Befürchtungen zu haben den Roboter nicht bedienen zu können. Ca. ein Viertel der Befragten (28 %) geben Sorgen bzgl. technischen Versagens des Roboters an. Auch die Sorge, dass der Roboter soziale Kontakte ersetzen könne, ist in dieser Stichprobe als nicht stark ausgeprägt (12 %) einzuschätzen. Jeweils 19 % der Befragten geben an, Ängste zu haben, von dem Roboter abhängig zu werden, bzw. dass es zu einer Verletzung ihrer Privatsphäre kommen könnte.

Weitere Ergebnisse konnten durch eine Auswertung von Telefoninterviews und teilnehmenden Beobachtungen der Interaktion zwischen den Senior_innen, Studierenden und Myon generiert werden. So werden bspw. konkrete haushaltsnahe Fähigkeiten und Fertigkeiten eines möglichen Roboters beschrieben, welche eine Entlastung mit sich bringen können. Des Weiteren wird der Wunsch nach Austausch und Beschäftigung formuliert, was dafürsprechen kann, dass Einsamkeit ein Thema ist, was die Senior_innen beschäftigt. Zitat eines/einer Probanden/Probandin:„Myon wäre für manche ältere Menschen als Ablenkung, zur Kommunikation und gegen Einsamkeit eine gute Wahl“. Gleichsam wird deutlich gemacht, dass pflegebedürftige Personen nicht per se die gleichen Bedürfnisse an Funktionen eines Roboters stellen, vielmehr bedarf es entsprechend der individuellen Gegebenheiten auch unterschiedlicher Funktionsweisen eines Roboters. Das lässt auch die Interpretation zu, dass Senior_innen an einer Weiterentwicklung eines Roboters beteiligt werden können und einen lernenden Myon beispielsweise entsprechend ihrer persönlichen Bedürfnisse schulen würden.

 

Literatur

Lengert-Brzozowski, S.; Huppertz, C.; Gräske, J. (2021): Rapid Review zu Interaktionen sozial assistiver Roboter mit Senior_innen. Online verfügbar unter: https://www.zeitschrift-pflegewissenschaft.de/content/component/jdownloads/download/4-supplements/33-rapid-review-zu-interaktionen-sozial-assistiver-roboter-mit-senior_innen?Itemid=1119, Zugriff: 21.03.2022

 

Kurzinfo:
Projektname: RoSen Humanoide Robotik in Senioren-Wohnanlagen
Projektlaufzeit: 01.04.2020 bis 30.09.2022
Projektleitung: Prof. Dr. Manfred Hild (BHT), Prof. Dr. Johannes Gräske (ASH Berlin)
Förder_in: IFAF Berlin e. V.
Projektpartner: Berliner Bau- und Wohnungsgenossenschaft von 1892 eG

 

alice
Dieser Artikel stammt aus dem Hochschulmagazin alice (Ausgabe 43/2022). Die pdf-Version des gesamten Heftes sowie das Archiv der vergangenen Ausgaben finden Sie auf dem Online-Auftritt des Magazins.