In Schule und außerschulischer Bildungsarbeit werden Kindern und Jugendlichen Vorlagen für ihr geschlechtliches und sexuelles Selbstverständnis vermittelt. An diesen Bildungsorten entwickeln sie ihre Haltungen und Umgangsformen gegenüber unterschiedlichen Lebensweisen. Wenn es gut läuft, erfahren sie dabei auch von den real existierenden vielfältigen Lebensweisen und werden angeregt, über die Wirkung normativer Erwartungen nachzudenken. Bildungseinrichtungen sind immer schon mit-verantwortlich für Herstellung, Vermittlung und Wirkungen von Geschlechter- und Sexualitätsordnungen – und nicht erst dann gefragt, wenn Diskriminierung und Gewalt auftreten. Modellprojekte wie „All included – Museum und Schule gemeinsam für geschlechtliche und sexuelle Vielfalt“, das von 2015 bis 2020 am Berliner Jugend Museum Schöneberg durchgeführt wird und 2017 den BKM-Preis für Kulturelle Bildung erhielt, sind daher wichtig. Was aber ist zu beachten, damit so eine Bildungsarbeit gelingt?
Im vom IFAF finanzierten Forschungsprojekt „VieL*Bar: Vielfältige geschlechtliche und sexuelle Lebensweisen in der Bildungsarbeit – Didaktische Potenziale und Herausforderungen museumspädagogischer Zugänge“ haben Mart Busche (ASH Berlin) und Uli Streib-Brzič (HTW Berlin) Gelingensbedingungen aus einer heteronormativitätskritischen Perspektive am Beispiel von „All included“ untersucht. Die Erkenntnisse des von Prof. Dr. Jutta Hartmann (ASH Berlin) und Prof. Dr. Tobias Nettke (HTW Berlin) geleiteten Forschungsprojekts wurden im Januar 2018 auf einer Fachtagung der Öffentlichkeit präsentiert.
Orientierungslinien für die pädagogische Praxis
Um die Fachdebatte voranzubringen erschien es sinnvoll, nicht nur das Gelingen herauszustellen, sondern insbesondere auch auf die Herausforderungen und Mechanismen zu blicken, die dazu führen können, dass entgegen besserer Absicht hierarchische Verhältnisse zwischen den Lebensweisen reproduziert und/oder Akteur_innen des Bildungsprozesses in deren Selbstverständnis und Lebensweise verletzt oder überfordert werden. Solche Herausforderungen zu erkennen schärft den Blick und unterstützt einen Professionalisierungsprozess. Daran anknüpfend hat das VieL*Bar-Team Orientierungslinien für die pädagogische Praxis herausgearbeitet, die ein an Heteronormativitätskritik ausgerichtetes Handeln im Themenfeld unterstützen und bei der konzeptuellen Entwicklung und Planung von Bildungseinheiten behilflich sein können. Dies ist ein Angebot für pädagogische Fachkräfte, die das Thema in ihrem jeweiligen pädagogischen Kontext – Museum, außerschulische Jugendbildungsarbeit, Grund- und Oberschulen – aufgreifen wollen. Die Ergebnisse des Forschungsprojektes werden unter dem Titel „Heteronormativitätskritische Jugendbildung“ Ende des Jahres als Buch im transcript Verlag erscheinen.
(Dieser Beitrag erschien in dieser Version in alice No. 35 im Sommersemester 2018.)