Wer erinnert sich noch an die Zeit, in der es an der ASH Berlin Diplomabschlüsse gab? Für die heute Studierenden ist diese Frage Schnee von gestern. Professor_innen und Verwaltungsmitarbeitende, die bei der Umstellung auf Bachelor- und Masterstudiengänge dabei waren, denken noch mit Graus an die viele Arbeit, im laufenden Betrieb die neuen Studiengänge zu konzipieren, zugelassen zu bekommen und umzusetzen. Die damaligen Konflikte waren sehr groß. Warum sollen nicht alle Studierenden einen einheitlichen ersten Abschluss bekommen, statt einen Bachelor für alle und einen Master für wenige? Warum sollen Masterstudiengänge Studiengebühren kosten? Was bringen die neuen Akkreditierungen außer Mehrkosten? Das damalige Rektorat stand unter einem enormen Druck.
In diese Umbruchszeit hinein (um 2000 herum) gründete eine Initiative von europäischen Professor_innen ein Forschungsprojekt. Ihr Motto war: Wir warten nicht auf die nächste gute Idee von Regierungsbeamten, sondern finden heraus, welche Ziele und Wünsche das Fachpublikum verfolgt. Sie nannten das Projekt TUNING. Um Feinschliff und Abstimmung sollte es gehen. Als ein zentrales Instrument der TUNING-Methode entwickelten sie eine Befragung, mit der sich ermitteln lässt, was Studierende, Professor_innen und potenzielle Arbeitgeber_innen vom Studium eines bestimmten Fachs erwarten und wie entsprechende Programme aussehen sollten.
125 europäische Universitäten und Hochschulen aus allen 28 EU-Ländern nahmen an dem EU-finanzierten Projekt teil. Die ASH Berlin wurde 2002 in das TUNING-Team aufgenommen, als der Kreis der klassischen Studienfächer, wie z. B. Geschichte und Physik, um Fächer angewandter Wissenschaften, wie z. B. Ingenieur- und Pflegewissenschaften, erweitert wurde. Das Projekt lief von 2000 bis 2008. Die Idee fand weltweit Anklang. Mittlerweile hat sich der Kreis der TUNING-Länder auf 120 erweitert.
2015 folgte in Europa die von der EU-Kommission geförderte Studie „Feasibility Study Measuring and Comparing Achievements of Learning Outcomes in Higher Education in Europe (CALOHEE)“. Hierin geht es um die Fragen: Halten die Programme, was sie den Studierenden versprechen? Entwickeln Studierende die gewünschten Kompetenzen? Sind die europäischen Hochschulabschlüsse untereinander vergleichbar?
Vertreter_innen von 80 Hochschulen und Universitäten aus allen europäischen Ländern gemeinsam mit einem Projektteam, Kontaktpersonen zur EU-Kommission sowie Mitglieder des Educational Testing Services, Princeton (USA) arbeiteten auf Studientreffen in Pisa (Mai 2016), Porto (November 2017) und Budapest (Mai 2017) zusammen, um sich einen Überblick über die am meisten genannten Studienziele und am häufigsten genutzten Prüfungsformen zu verschaffen. Dazu wurden Fragebögen für die Studienfächer Erziehungswissenschaften, Geschichte, Ingenieurwissenschaften, Pflegewissenschaften (hier arbeitet die ASH Berlin mit) und Physik entwickelt. Die Ergebnisse der bisherigen Arbeiten sind auf der Studien-Website online zu finden. Ob es am Ende multi-dimensionale Tests für alle Fächer geben kann und ob diese sich in der Praxis bewähren, soll in einem Fortsetzungsprojekt geprüft werden. Die grundlegendere Frage bleibt allerdings, wie eine gute und auch höhere Bildung für mehr Menschen zugänglich gemacht werden kann.