Research Von Chancen und Barrieren

Familienhebammen eröffnen Frauen mit Fluchthintergrund Zugang in Angebote des Gesundheits- und Sozialsystems

Eine Zeichnung von einem Baum, der Stamm stellt eine Person dar
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Familienhebammen haben eine zusätzliche sozialpädagogische Qualifikation und können (werdende) Familien auch nach der Betreuung durch eine Hebamme weiter begleiten. Als ergänzendes Angebot der Frühen Hilfen bieten diese Fachkräfte ein niedrigschwelliges Versorgungs- und Betreuungsangebot für schwangere Frauen und ihre Familien in besonderen Belastungslagen an. Sie agieren als Lotsinnen, die Zugänge zu medizinischen und psychosozialen Versorgungsleistungen rund um Schwangerschaft und Geburt eröffnen.

Im Rahmen einer Masterarbeit im Studiengang Public Health, die an das Forschungsprojekt PROREF angegliedert war, wurden in Berlin Interviews mit Familienhebammen geführt, in denen sie von ihren Erfahrungen in der Arbeit mit Frauen mit Fluchthintergrund berichteten.
 

„Also die kennen zum Teil aus ihren Ländern gar nicht […], dass Hebammen außerhalb von Krankenhäusern arbeiten.  Und die wissen natürlich auch nicht, welche Möglichkeiten der Betreuung es in unserem Land überhaupt gibt. Und wo halt auch eine Grenze ist.“ (I_108)

Familienhebammen übernehmen in der Versorgung von Frauen mit Fluchthintergrund eine wichtige Rolle: sie informieren über Versorgungsangebote des gesundheitlichen Regelsystems und klären über deren gesundheitlichen Nutzen für Mutter und Kind auf. Darüber hinaus unterstützen sie die Mütter sich innerhalb der komplexen Strukturen des Gesundheitssystems zurechtzufinden.

Die Einbettung des Angebotsin die Lebenswelt der Frauen in Unterkünften, dem eigenem Wohnraum oder in Familienzentren ermöglichtden Familienhebammen eine umfassende Perspektive auf komplexe gesundheitliche und psychosoziale Unterstützungsbedarfe. Um weiterführende Hilfen anbieten zu können, ist die interdisziplinäre Kooperation verschiedener Berufsgruppen (Sozialarbeiter_innen, Gynäkolog_innen, Kinderärzt_innen, Fachkräfte Früher Hilfen) ein essenzieller Faktor.

Doch auch wenn Frauen mit Fluchthintergrund Versorgungs- und Betreuungsangebote in Anspruch nehmen möchten, stoßen die Fachkräfte an strukturell bedingte Grenzen, welche die Vermittlung geflüchteter Frauen in andere Angebote des Gesundheits- und Sozialsystems erschweren:    

  • Mangel an Facharztpraxen mit kultursensibler Ausrichtung, fehlende Sprachmittlung.
  • Fehlende Netzwerke und Kooperationen mit Akteur_innen des Gesundheitssystems.
  • Fehlende Überleitung in weiterführende Unterstützungsangebote bei Wechsel des Wohnortes der Frauen, wenig  bezirksübergreifende Vernetzung.

Handlungsbedarfe

Familienhebammen könnten die Lücken innerhalb der medizinischen Versorgung und psychosozialen Betreuung geflüchteter Frauen schließen. Handlungsbedarf besteht hinsichtlich der Zusammenarbeit mit Leistungserbringer_innen des Gesundheitssystems. Hier kann eine Stärkung der Kooperationsstrukturen eine gegenseitige Vermittlung in das jeweilige Angebot verbessern, damit geflüchtete Frauen zielgerichtet weiterbetreut werden können. Zudem muss bei Bedarf die Überleitung in weiterführende Unterstützungsangebote auch nach einem Wohnortwechsel der Frauen gewährleistet sein – dafür bedarf es der Förderung einer verbesserten Vernetzung der Angebote Früher Hilfen über Bezirksgrenzen hinaus.