Kultur und Kunst sind auch und gerade in Krisenzeiten relevant für die Gesellschaft. Die Veranstaltungsbranche in Deutschland und explizit in Berlin ist jedoch tiefgreifend von den Folgen der Maßnahmen betroffen, die zur Eindämmung der Corona-Pandemie behördlich angeordnet und beauflagt wurden. Als eine der ersten Interventionen ab März 2020 wurden zunächst Klein- und Großveranstaltungen abgesagt. Im Rahmen kleinerer Lockerungen fanden in den Folgemonaten wenige Veranstaltungen unter ausgesprochen aufwendigen Hygienemaßnahmen statt. Mit viel Engagement und Kreativität wurden unter geänderten Bedingungen sowie unter der Einhaltung sich stetig wandelnder Anforderungen an Hygiene und Infektionsschutz neue Veranstaltungsformate entwickelt. Auch diese konnten aber die Schließung von Veranstaltungsstätten und die Absage aller Veranstaltungen nicht aufhalten. Seit November 2020 sind keinerlei Veranstaltungen mehr erlaubt.
Sowohl aufgrund erforderlicher An- und Abreisen sowie Übernachtungen von Besucher_innen und von Beschäftigten als auch der erhöhten Infektionsgefährdung durch größere Personendichte ist absehbar, dass Veranstaltungen bis weit in das Jahr 2021 nicht in der gewohnten Form stattfinden. Typisch für die Veranstaltungsbranche sind prekäre Beschäftigungsverhältnisse mit mobilen, grenzenlosen Arbeitsplätzen. Techniker_innen, Künstler_innen, Solo-Selbstständige, Kulturschaffende etc. sind in diesem Zusammenhang mit einer massiven Verschlechterung ihrer Lebenssituation konfrontiert.
Hier setzt das neue interdisziplinäre Forschungsprojekt Hygienekonzept und Infektionsschutz in der Veranstaltungsbranche (Hygieia) an. Primäre Zielgruppen von Hygieia sind die Mitarbeitenden und die Beschäftigten der Veranstaltungsbranche. Besucher_innen sollen als sekundäre Zielgruppen von den Untersuchungsergebnissen profitieren. Gemeinsam mit den Kooperationspartnern Clubcommission, mediapool, satis&fy sowie dem Verband für Medien- und Veranstaltungstechnik (VPLT) wird in einem dreiphasigen Prozess analysiert, welche Infektionsschutz- und Hygienemaßnahmen in Produktions- und Veranstaltungsstätten vorgesehen sind und mit welchen Auswirkungen auf Produktionsbedingungen und Arbeitsplätze sie umgesetzt werden (s. Abb. 2).
Dazu erfolgt zunächst die Recherche verschiedener Maßnahmen hinsichtlich technischer, organisatorischer und personeller Aspekte in den Bundesländern, im Probenbetrieb (Theater, Studios), im temporären Veranstaltungsbetrieb Open-Air (Konzerte, Freiluftkinos, -theater) und in Veranstaltungsstätten (Messe-, Mehrzweckhallen, Theater). Die Interventionen werden bezogen auf diverse Veranstaltungsarten (Messe, Event, Schauspiel, Konzert) kategorisiert und nach Kriterien, wie Wirksamkeit, Wirtschaftlichkeit, Kapazität, Sichtbarkeit, Anwendbarkeit oder Schutzziele, bewertet. Auf dieser Grundlage entsteht ein Modell für Hygienemanagement und Infektionsschutz unter spezifischen Bedingungen der Veranstaltungsbranche (Hygieia-Modell). Dieses Hygieia-Modell ist Basis für eine praxisnahe Handreichung, die in Veranstaltungs- und Produktionsstätten validiert wird.
Der Transfer des Hygieia-Modells auf andere Branchen ist geplant und zum Beispiel mit Betriebskrankenkassen andiskutiert.
Kurzinformation:
Projektname: Hygienekonzept und Infektionsschutz in der Veranstaltungsbranche (Hygieia)
Projetzeitraum: April 2021 bis März 2023
Projektteam: Prof. Dr. Claudia Winkelmann (Projektleitung), ASH Berlin, Prof. Thomas Sakschewski, Beuth Hochschule für Technik Berlin, Prof. Dr. Axel Kramer, Universitätsmedizin Greifswald, Institut für Hygiene und Umweltmedizin
Kooperationspartner_innen: Clubcommission, mediapool, satis&fy sowie dem Verband für Medien- und Veranstaltungstechnik (VPLT)
Mittelgeber_in: IFAF Berlin
Weitere Informationen: www.hygieia-berlin.de/
Kontakt: winkelmann@ash-berlin.eu