Zum Wintersemester 2021 sind die neuen Skills Labs des Pflegestudiengangs in Betrieb genommen worden. Während die Pflegestudierenden des ersten und zweiten Matrikels – auch Corona-bedingt – zwei Semester lang in den provisorischen Skills Labs am Fritz-Lang-Platz pflegerische Fertigkeiten geübt haben, können Studierende nun in modernen, realitätsnahen Skills Labs üben und simulieren. Hier haben sie die Möglichkeit, ihre praktischen und interaktionalen Fähigkeiten im Rahmen von Lehreinheiten zu entwickeln. Pflegerisches Handeln wird unter nahezu realistischen Bedingungen und unter Aufsicht von Lehrenden geübt und reflektiert. Darüber hinaus können Studierende die Skills Labs auch eigenständig für Übungen nutzen. Im späteren Studienverlauf können die Studierenden die erworbenen Kompetenzen unter Anleitung von Pflegefachkräften eigenständig in die Praxis umsetzen.
Skills-Training und Simulation
Trainings und Simulationen in der hochschulischen Pflegebildung umfassen ein breites Kontinuum von Skills-Trainings: Von Trainings rein klinischer Fertigkeiten, z. B. Routineaufgaben bis hin zu sehr komplexen Simulationen, in denen die Pflege an mehreren Patient_innen gleichzeitig geübt wird.
Praxistrainings folgen den in der Theorie vermittelten Inhalten und stellen eine erste Umsetzung bzw. Übertragung in die Praxis oder eine Vertiefung dar. Das Training im Skills Lab hat viele positive Aspekte im Sinne des Lernprozesses. Ausgewählte Handlungen, wie z. B. Vitalzeichenkontrollen, Transfer, Körperpflege, Wundversorgung können beliebig oft wiederholt werden. Durch Wiederholungen und anschließende Reflexion ist es möglich, eine Handlungssystematik zu entwickeln. Auch das ‚Zerlegen‘ einer Handlung in kleinste Schritte, die nacheinander geübt werden, ist in diesem Rahmen möglich.[1] Durch eine Anpassung an das individuelle Lerntempo der Lernenden bietet das Skills Lab die Möglichkeit, ausgewählte Fähigkeiten reproduzierbar und nach einem bestimmten Standard zu erlernen. Durch individuelles Lernen wird hier die Selbstsicherheit bei den Teilnehmer_innen erhöht.[2] Dies ist besonders vor dem Erstkontakt mit realen Patient_innen von Vorteil.[3] So können Ängste vor der Praxissituation abgebaut werden, indem erst nach dem Üben an Mitlernenden und ggf. mit Simulationspatient_innen die Handlungen an realen Patient_innen umgesetzt werden.[4] Das Lernen in diesem Setting trägt durch Reflexionsschleifen dazu bei, Handlungsabläufe zu verinnerlichen und in implizites Wissen umzuwandeln.[5] Den Lernenden ist es im Rahmen eines geschützten Settings möglich, eine positive Fehlerkultur zu entwickeln. Der Lernort Skills Lab bietet zudem die Gelegenheit, eigene Erfahrungen aus der Berufspraxis einzubringen, aufzuarbeiten und ggf. im Gruppenprozess Lösungen zu entwickeln.[6] Eine Gruppengröße von maximal zehn Studierenden ermöglicht einen hohen Lernerfolg. Dozierende in der Simulation sind angehalten, den Lernprozess dahingehend zu gestalten, dass der Lernerfolg als kognitiver Prozess konzipiert wird, um Problemlösefähigkeiten, kritisches Denken und Critical Reasoning zu fördern. Gleichfalls obliegt den Dozierenden die Aufgabe, den Theorie-Praxis-Transfer zu gestalten, dies kann beispielsweise durch die Szenario-Entwicklung unterstützt werden, in der reale Fälle aus der Praxis hochschuldidaktisch adaptiert werden.[7]
Die Ausstattung der Räumlichkeiten
Die neuen Räumlichkeiten umfassen 100,87 m² zuzüglich Umkleideräumen mit 2 x 10 m² und einem Lager mit 40 m². Das Skills Lab besteht aus zwei Lehrräumen sowie einem Regieraum (mit Blick auf beide Lehrbereiche). Mit dem zu erwartenden Aufwuchs werden die Räumlichkeiten im Neubau der ASH Berlin erweitert. Die fertiggestellten Skills Labs ermöglichen Simulationen im häuslichen wie im stationären Setting. Hierfür ist ein Zimmer mit funktionsfähiger Küche, Dusche und WC eingerichtet worden, das die Pflege im ambulanten Sektor abbildet. Das zweite Zimmer ist mit modernen Intensivbetten ausgestattet und bildet den Klinikbereich ab. Hier befindet sich auch ein Bereich für die pädiatrische Pflege.
Die Studierenden lernen an Simulationsmannequins mit hochmoderner, elektronischer Ausstattung, sodass realitätsnah Körperfunktionen, wie z. B. Puls, Blutdruck oder Atmung gemessen werden können, um verschiedene Krankheitsbilder simulieren und pflegerisch behandeln zu können. Die Mannequins können durch die Lehrenden besprochen werden, sodass auch kommunikative Kompetenzen gefördert werden.
Die Audio-Video-Technik ermöglicht die Übertragung von Ton und Bild , um zum einen die Beobachtung durch Mitstudierende zu ermöglichen und zum anderen ein sich an die Simulation anschließendes Debriefing, d. h. eine Nachbesprechung durchführen zu können. Dabei werden einzelne Szenen von allen Beteiligten nochmal angesehen und reflektiert.
Die Bedeutung von Skills Lab-Lehre
Skills-Training und Simulation gewinnen in der Pflegebildungslandschaft immer stärker an Bedeutung und nähern sich damit sukzessive an internationale Standards an.[8] Das Pflegeberufegesetz § 38 Abs. 3 ermöglicht „einen geringen Teil der Praxiseinsätze durch praktische Lerneinheiten [wie Simulation] an Hochschulen zu ersetzen“ und unterstreicht damit diese Entwicklung. Diese Möglichkeit wird vom Pflegestudiengang der ASH Berlin aufgegriffen und umgesetzt.
Ein Teil der Einrichtung des Skills Labs wurde aus Investitionsmitteln des IFAF Berlin finanziert. Das IFAF Berlin untersützt damit den Aufbau von Forschungsausstattung an den Berliner Fachhochschulen.
Literatur
Beckers, S.K.; Sopka. S.; Classen-Linke. I.; Weishoff-Houben, M.; Dott, W. (2010). Strukturell-organisatorische Entwicklung und Etablierung eines interdisziplinären Trainingszentrums für klinisch-praktische Fertigkeiten. GMS Z Med Ausbild. 2010; 27 (1): Doc 10.
Klemme, B. (Hg.) (2012): Praktischer Unterricht am Lernort Schule. In B. Klemme, Lehren und Lernen in der Physiotherapie. Stuttgart: Thieme Verlag, 46–57.
Kirsten, A. Kagermann, D. (2018): Simulation in der Berufsbildung der Pflege. In: St. Pierre; Breuer, G. (Hrsg.): Simulation in der Medizin. Grundlegende Kozepte – Klinische Anwendung. 2. Aufl. Berlin: Springer, S. 445–464.
Ludwig, I.; Umbescheidt, R., (2014). Dritte Lernortdidaktik in Pflege und Sozialpädagogik. Erfahrungen aus 10 Jahren Umsetzung, Entwicklung & Schulung in Deutschland, Österreich und der Schweiz. In Pädagogik der Gesundheitsberufe. Die Zeitschrift für den interprofessionellen Dialog. Ausgabe 1-2014. Hpsmedia, 32–36.
MGEPA – Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter des Landes Nordrhein-Westfalen (2014): Abschlussbericht Dezember 2014 „Inhaltliche und strukturelle Evaluation der Modellstudiengänge zur Weiterentwicklung der Pflege- und Gesundheitsfachberufe in NRW“. Online: http://www.mgepa.nrw.de/pflege/pflegeberufe/modellstudiengaenge/index.php(Zugriff 10.08.2016].
Pflegeberufereformgesetz vom 17.7.2017. Bundesgesetzblatt Teil I, Nr. 49. Online:https://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav?startbk=Bundesanzeiger_BGBl&jumpTo=bgbl117s2581.pdf#__bgbl__%2F%2F[%40attr_id%3D%27bgbl117s2581.pdf%27]__1531230571464 [Zugriff:11.7.2018].
Schröppel, H. (2021): Theoretische Grundlagen zur Methode. In: Kerres, A.; Wissing, C.; Wershofen, B. (Hrsg.): Skillslab in Pflege und Gesundheitsfachberufen. Intra- und interprofessionelle Lehrformate. Berlin: Springer.
Wellard S.J.; Solvoll B.A.; Heggen, K. M. (2009). Picture of Norwegian clinical learning laboratories for undergraduate nursing students. In Nurse Education in Practice 9 (4), 228–235.
[1] Beckers et al. 2010, 10
[2] Wellard 2009, 232
[3] Beckers et al. 2010, 10
[4] Klemme 2012, 53
[5] MGEPA 2014, 154
[6] Ludwig, Umbescheid 2014, 35
[7] vgl. Schröppel 2021, S. 17
[8] vgl. Kirsten, Kagermann 2018, S. 448