...und dann kam Corona Zwischen Küche und Wohnzimmer

Studentin Isabella Theilig über ihre Erfahrungen im Online-Semester 2020

Isabella Theilig am Küchentisch, einen Laptop vor sich
Isabella Theilig an ihrem Arbeitsplatz in der Küche privat

Ich weiß noch sehr gut, wie aufgeregt ich vor meinem ersten Online-Seminar im Frühjahr war und vor meinem Laptop saß und mir überlegte, wo in meiner Wohnung ich sitzen möchte. Mir schwirrten Gedanken im Kopf rum: „Wie viel von meiner Wohnung möchte ich zeigen? Wer nimmt an dem Seminar teil? Kenne ich jemanden aus dem Seminar? Wird die Technik funktionieren? Werde ich ungestört sein und mich auf das Seminar einlassen können?“.

Im Vorfeld des Semesterstarts freute ich mich sehr auf die angebotenen Seminare und wusste, dass dieses Semester mein wahrscheinlich letztes Semester im Master Praxisforschung in Sozialer Arbeit und Pädagogik mit studiengangsbedingten Pflichtveranstaltungen werden würde und ich mich anschließend auf die Masterarbeit konzentrieren wollte. Mit der Verschiebung des Semesterbeginns und der Information, dass das gesamte Semester online stattfindet, wurde ich unsicher, wie sich die Situation auf meine Pläne auswirken würde.

Es fühlte sich so an, als würde ich mit den Seminarteilnehmenden in meiner Küche sitzen.

Optimistisch ging ich in das erste Online-Seminar. Nervös stellte sich mir vor der ersten virtuellen Konferenz die Frage, wo in meiner Wohnung ich sitzen möchte und ich entschied mich für meine Küche. Dort fühlte ich mich sicher, da es ein neutraler Ort in meiner Wohnung ist. Ein weißer Hintergrund und eine Lichterkette waren zu sehen. „Das wirkt bestimmt seriös, lenkt nicht zu sehr ab und zeigt nicht zu viel von mir und meiner Wohnung“, dachte ich.

Es fühlte sich so an, als würde ich mit den Seminarteilnehmenden in meiner Küche sitzen. Das war ein ambivalentes Gefühl. Ich habe mich in dem Moment nicht allein und unbeobachtet in meiner Küche gefühlt und gleichzeitig konnte ich meine Umgebung so einrichten, wie es für mich angenehm war, ohne dass es in der Kamera sichtbar war. Die größte Verunsicherung löste in mir mein Mikrofon aus: „Wann können mich die anderen hören? Kann ich das Mikrofon richtig bedienen? Habe ich vergessen das Mikrofon auszuschalten?“. Diese anfänglichen Unsicherheiten legten sich nach den ersten „Online-Seminaren“.

Im Rückblick kann ich sagen, dass es mir nicht immer leicht fiel, meine privaten Sorgen und Gedanken fernzuhalten aus dem Seminar. Durch die private Umgebung und die permanente Verfügbarkeit von Gegenständen in meiner Wohnung, wurde ich oft abgelenkt. An ein Beispiel kann ich mich gut erinnern. Wenn ich in meiner Küche saß und sich der Abwasch stapelte, fiel es mir schwer im Seminar nicht daran zu denken, dass da noch Arbeit auf mich wartete und ich in Gedanken schon überlegte, wann ich mir dafür die Zeit nehme.

Was ist mit den Menschen, die nicht zu den Online-Seminaren kamen?

Im Laufe des Semesters fühlte ich mich immer sicherer mit dem Umgang der Technik und so konnte ich mich besser entspannen und auf das Seminar einlassen. Das kann ich auch daran festmachen, dass ich irgendwann nicht mehr nur in der Küche saß, sondern auch an meinem Schreibtisch oder auf dem Sofa, wo ich wusste, hier wird mehr von meinem Privatleben sichtbar. Dazu beigetragen hat auch, dass ich die Seminargruppe besser kennenlernen konnte – soweit das in diesem Format möglich war. Beim Kennenlernen der Gruppe hat mir stark geholfen, dass wir zum Seminarbeginn eine „Ankomm“-Runde gemacht haben, mit den Fragen: „Wie geht es mir heute? Was ist so los bei mir?“. Es passte für mich, dass wir einen Rahmen hatten, in dem wir frei erzählen durften, auch über unsere privaten Sorgen, denn wir besuchten uns via Bildschirm alle zu Hause – überspitzt gesagt saßen wir alle „auf meinem Sofa“. Durch diese Möglichkeit legte sich mein ambivalentes Gefühl, in meinem Zuhause am Hochschulseminar teilzunehmen. Es fühlte sich authentischer an.

Doch was mir auch noch wichtig ist: Was ist mit den Menschen, die nicht zu den Online-Seminaren kamen? In den letzten Semestern hatte ich auch Kommiliton_innen außerhalb der Seminare kennengelernt. Diese kurzen Bekanntschaften oder kleinen Freundschaften innerhalb des Hochschultkontexts waren noch nicht so intensiv, um sie außerhalb der Hochschule weiterzuführen. Besonders fehlten mir während des Online-Semesters auch die kurzen Gespräche vor oder nach einem Seminar. Deswegen hat mir beim Online-Seminar geholfen, mit einer Einstiegsrunde zu beginnen und mit einer Ausstiegsrunde: „Wie geht es euch nach dem Seminar, sind noch Fragen?“, zu enden.

 

Abschließend kann ich sagen, dass es mich viel Zeit gekostet hat, bis ich mich an das Online-Format gewöhnt habe. Ich merke jetzt, dass diese neue Situation so viel Platz in meiner Erinnerung eingenommen hat, dass die thematischen Seminarinhalte zu Beginn in den Hintergrund gerückt sind. Das Wahrnehmen von Emotionen und Stimmungen im virtuellen Raum war sehr schwierig, was mich im meinem Auftreten verunsicherte. Auch wenn der zeitliche Aspekt – die gesparte Anfahrt zur Hochschule – ein positiver war, habe ich es nochmal sehr zu schätzen gelernt, was der Ort Hochschule für mich bedeutet. Die Möglichkeit des Online-Treffens war für mich dennoch sehr wichtig, um weiterhin das Gefühl zu haben, zu studieren und im Austausch mit Menschen zu bleiben.

 

Isabella Theilig ist Studentin im Master Praxisforschung in Sozialer Arbeit und Pädagogik.