Lernen & Lehren Sieben Strategien für einen leichteren Hochschulstart

Lerneinschränkungen, ADHS, Care-Arbeit, nebenbei jobben: Wie das Studium trotz Beeinträchtigungen und Benachteiligungen entspannt gelingt

Studien zeigen, dass Studierende mit Lerneinschränkungen, Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörungen (ADHS), gesundheitlichen Belastungen, Erwerbstätigkeit neben dem Studium oder Care-Verpflichtungen ihren Abschluss nicht in der gleichen Geschwindigkeit erreichen wie ihre Kommiliton_innen. Eine bewusste Selbstorganisation und ein reflektierter Umgang mit Zeit und Lernpräferenzen können hier den Übergang ins Studium und das Studium an sich positiv beeinflussen.

Für Studierende mit diesen Herausforderungen ist es besonders wichtig, die akademischen Anforderungen der Hochschule zu kennen und ihre Lernstrategien daran auszurichten. Kenntnisse über das eigene Lernprofil zu erlangen und kompensatorische Strategien zu entwickeln, kann in diesem Kontext Nachteile ausgleichen. Mit folgenden Strategien können Studierende mit Beeinträchtigungen und Benachteiligungen einen erfolgreicheren Übergang in das Hochschulleben umsetzen.

Strategie 1 – Individuell planen von Anfang an

Zu den Dokumenten, die viele Studierende erst lesen, wenn es zu schweren Komplikationen kommt, zählen die Studien- und die Prüfungsordnung ihres Studienganges. In der Studienordnung steht, welche Kurse belegt werden dürfen/müssen, während in der Prüfungsordnung steht, welche Leistungen (Hausarbeiten, Klausuren usw.) nötig sind, um die notwendigen Credits zu erlangen. Die Infos aus diesen Dokumenten sind wichtig, um das Studium bewusst zu planen. Welche Kurse kann ich nutzen, um Module zu füllen? Welche Prüfungsleistungen passen zu meinen Fähigkeiten? In welche Themen möchte ich mich besonders einarbeiten? So können Studienerschwernisse, die durch formale Vorgaben wie z. B. die Prüfungsform bedingt sind und für Studierende mit Beeinträchtigungen und Benachteiligungen besonders von Belang sind, rechtzeitig erkannt und adressiert werden.

Strategie 2 – Realistischer Blick auf die Regelstudienzeit

Für viele Studierende mit Beeinträchtigungen und Benachteiligungen führt das Nichteinhalten der Regelstudienzeit zu Unsicherheit und damit zusätzlichem Stress, wenn sie sich primär an privilegierteren Kommiliton_innen und bürokratischen Normwerten orientieren. Dieser Stress kann reduziert werden, wenn das Studium realistisch und individuell geplant wird. Dabei sollte der Ausgangspunkt sein, wie viel Zeit real pro Woche neben Job, Familie und/oder sonstigen Verpflichtungen für das Studium zur Verfügung steht. Hilfreiche Infos dazu gibt es auch bei Studienberatungen und im Internet, z. B. zur realen Studiendauer verschiedener Studiengänge. Das Studium sollte mit Puffern, z. B. für den Fall eines Krankenhausaufenthaltes oder für Care-Verpflichtungen, geplant werden. Auch ist es oft möglich, Kurse aus höheren Semestern zu belegen, um die eigenen Tage, die für die Hochschule geblockt sind, optimal zu nutzen. Durch eine bewusste Wahl von Kursen – unabhängig von dem Semester, für das sie eigentlich vorgesehen sind – können Studierende steuern, wie viele Tage pro Woche sie physisch oder virtuell an der Hochschule sein müssen, um ungestört zu lernen oder zu arbeiten.

Strategie 3 – Adlerperspektive einnehmen 

Studieren braucht Zeit und gerade für Studierende mit privaten und beruflichen Verpflichtungen ist Zeit kostbar. Empirische Studien über studentisches Zeitmanagement belegen, dass Studierende erfolgreicher sind, wenn sie ihre Lernzeit ganz bewusst optimiert auf die Kurse verteilen. Erfolgreiche Studierende verbringen mehr Zeit mit Kursen, die anspruchsvoll sind und in denen sie den eigenen Wissensstand als zu gering einschätzen. Den Rest der Zeit verteilen sie gleichmäßig, um den Gesamtdurchschnitt der Noten zu maximieren. Durch einen bewussten Umgang mit Zeit kann der Zeitaufwand insgesamt minimiert werden, Überlastung wird vorgebeugt und Stress durch verpasste Deadlines vermieden.

Strategie 4 – Deadlines frühzeitig anpassen 

In fast jedem Kurs gibt es Deadlines, z. B. für die Abgabe von Hausarbeiten. Der einfachste Nachteilsausgleich ist das Anpassen dieser Deadlines für Studierende mit Beeinträchtigungen und Benachteiligungen. Oft haben Studierende jedoch Hemmungen, die Lehrkraft darum zu bitten oder warten bis zuletzt. Studien zeigen, dass Lehrkräfte bei einer freundlichen Kontaktaufnahme zu Beginn des Semesters meist kooperativ sind und Deadlines in Absprache mit den Studierenden an deren Herausforderungen anpassen. Dies gibt nicht nur den Studierenden Planungssicherheit, sondern auch der Lehrkraft.

Strategie 5 – Unterstützung durch Tools und Software

Studierende mit Beeinträchtigungen und Benachteiligungen sind mit einer Vielzahl von akademischen Aufgaben konfrontiert. Sie profitieren deswegen besonders von Tools und Apps, die ihnen beim Notizenmachen, Zeitmanagement, Lesen und anderen studienbezogenen Faktoren helfen. Studierende mit beruflichen und privaten Belastungen und dadurch verminderten Zeitressourcen können z. B. mittels Diktier- und Editierfunktionen von Software und Tools Zeit sparen. Viele Windows-Softwares haben eine Spracherkennung, was Texterstellung erleichtert und beschleunigt. Am besten unterstützen Software-Lösungen und Tools, wenn sie zum individuellen Lernstil passen. So profitieren z. B. Studierende, die besser auditive Informationen aufnehmen, besonders von Podcasts; visuell lernende Studierende hingegen besonders von Videos.

Strategie 6 – Künstliche Intelligenz für Erklärungen und Zusammenfassungen

Eine weitere Unterstützung sind Textzusammenfassungen mittels KI. Das Zusammenfassen und Neuformulieren von schwer verständlichen Texten kann helfen, Hürden auszugleichen. So können z. B. schwer verständliche Studienordnungen in leichtere Texte umgewandelt werden, damit klar ist, wie die erforderlichen Credits erreicht werden können. Mittels KI können sich Studierende neue wissenschaftliche Konzepte auf verschiedene Arten erklären lassen und sparen damit Zeit für das Finden und Lesen alternativer Definitionen und besser verständlicher Texte. KI-produzierte Zusammenfassungen sind auch für aktives Lernen und besseres Verstehen nutzbar sowie für die Prüfungsvorbereitung und das gegenseitige Abfragen von Lerninhalten.

Strategie 7 – Netzwerken beitreten oder selber gründen

Studierende mit Beeinträchtigungen und Benachteiligungen sowie Studierende mit Erwerbsarbeit fühlen sich oft entfremdet von anderen Studierenden, weil sie über weniger Zeit für Gruppenarbeiten und gemeinsame Freizeitaktivitäten verfügen. Dieses geringere Zugehörigkeitsgefühl geht oft mit vermindertem Engagement im Studium einher, was sich wiederum auf die Noten auswirken kann. Hier kann der Anschluss an Netzwerke und Interessengruppen helfen. Netzwerke wie z. B. für Studierende mit ADHS oder Fluchterfahrung können im Internet gesucht werden oder per Aushang selbst gegründet werden. So können die soziale Integration gesteigert und negative Lebensereignisse gemeinsam bewältigt werden. Ein Nebeneffekt davon ist zudem, dass Studierende mit Beeinträchtigungen und Benachteiligungen sich dann weniger distanziert fühlen, was gleichzeitig das Engagement erhöhen und die Wahrscheinlichkeit des Studienabbruchs reduzieren kann.

Fazit

Beeinträchtigungen und Benachteiligungen führen dazu, dass nicht alle Studierenden die gleichen Chancen und Startbedingungen im Rahmen ihrer Hochschulausbildung haben. Die dabei wirkenden Faktoren sind vielfältig und in ihren Ausprägungen individuell. Die hier beschriebenen Strategien sollen Wege aufzeigen, wie bei besonderen Herausforderungen das Studium erfolgreich gestaltet werden kann. Sie sind zwar lediglich eine Auswahl, die versucht, der Vielfalt an Herausforderungen Struktur zu geben. Sie können jedoch unterstützen, Belastungen und Stressoren abzubauen. Negative Lernerfahrungen werden auf diese Weise reduziert, um das Studium erfolgreich gestalten zu können.