Wissenschaftliches Personal Ohne sie geht gar nichts

Die Position der Hochschulleitung zu den hochschulpolitisch ungelösten Fragen des Wissenschaftlichen Personals an der ASH Berlin

Dozentin Ruth Herzberg im Hintergrund erklärt Studierenden im Vordergrund etwas
Ruth Herzberg, Gastdozentin im Bachelorstudiengang BASA-Online Alexander Rentsch

Die ASH Berlin vergab im Sommersemester 2016 „Lehraufträge“ an 204 frei- und nebenberuflich tätige Lehrende in den grundständigen Studienfächern. Hinzu kamen fünf Gastprofessorinnen und -professoren sowie 16 Gastdozent/-innen. Etwa 65 Personen lehrten in den Weiterbildungsstudiengängen. Es waren 35 Wissenschaftliche Mitarbeiter/-innen in Forschungs- und Entwicklungsprojekten der Hochschule beschäftigt.

Ziehen wir großzügig die Hälfte der Lehrbeauftragten im Weiterbildungsbereich ab, da sie möglicherweise auch in den grundständigen Studiengängen unterrichten, und 10 Wissenschaftliche Mitarbeiter/-innen, da sie auch lehren, kommen wir auf etwa 280 Personen, die in befristeten Arbeitsverhältnissen für die ASH Berlin aktiv sind. Im Wintersemester werden es turnusgemäß noch mehr sein.

Das kann man ohne Weiteres als große Anerkennung dieses umtriebigen Bildungsortes sehen. Wir können uns als ASH Berlin glücklich schätzen und sind dankbar dafür, dass so viele hoch qualifizierte Personen Interesse und Lust haben, bei uns zu arbeiten. Ohne sie würde gar nichts gehen.

Politische Schieflage

In festen Arbeitsverhältnissen sind dagegen an der ASH Berlin im wissenschaftlichen Bereich 54 Hochschulprofessorinnen und -professoren und eine Lehrkraft für besondere Aufgaben. Das heißt übersetzt, dass die derzeitige Hochschulfinanzierung über fünf Mal weniger festangestelltes Wissenschaftliches Personal ermöglicht als befristet beschäftigtes.

Diese Tatsache wiederum kann man ohne Weiteres als folgenreiche Schieflage der Hochschulpolitik ansehen. Folgenreich deshalb, da hier Menschen nicht nur befristet beschäftigt arbeiten, sondern der überwiegende Teil auch verhältnismäßig schlecht bezahlt wird. Und es sich insbesondere für freiberuflich tätige Lehrbeauftragte empfindlich bemerkbar macht, dass keine Sozialversicherungsleistungen für sie abgeführt werden. So ist bundesweit die Altersarmut für viele dieser Kolleginnen und Kollegen vorprogrammiert. Man kann nicht daran vorbeisehen: Hochschulen und Universitäten könnten ihre grundständigen Aufgaben nicht wahrnehmen, wenn sie auf die befristet beschäftigten akademischen Mitarbeiter/-innen verzichten müssten. Dabei müssen diese die Benachteiligungen und das Risiko dieses strukturellen Defizits jeweils individuell und ganz persönlich tragen.

Unerschrockene Vertretung der Lehrbeauftragten

Die ASH Berlin hat seit vielen Jahren eine beharrliche, unerschrockene und sehr konsequente Vertretung der Lehrbeauftragten, die sinnigerweise seit einiger Zeit auch die Wissenschaftlichen Mitarbeiter/-innen aus Drittmittelprojekten aktiv einbezieht und sich nun als „Vertretung des Wissenschaftlichen Personals“ versteht. Auch wenn die Forderungen nach Arbeitsverträgen mit Sozialleistungen für Lehrbeauftragte und eine angemessene Bezahlung, die Beratungs-, Betreuungs-, Vor- und Nachbereitungszeiten der Lehre einschließt, für die ASH Berlin aufgrund von anteilig sehr hohen Personalkosten am insgesamt vergleichsweise begrenzten Gesamtfinanzvolumen derzeit nicht finanzierbar sind, sind sie doch nachvollziehbar. Entsprechend unseren Möglichkeiten planen wir zumindest auch im kommenden Haushalt die Erhöhung der Lehrbeauftragten-Gelder in den grundständigen Studienfächern ein.

„Dauerstellen für Daueraufgaben schaffen“

Als Hochschulleitung sehen wir uns darüber hinaus in der Pflicht, die Situation der Lehrbeauftragten in den entsprechenden Gremien zu diskutieren und Möglichkeiten, Dauerstellen für Daueraufgaben zu schaffen, zu nutzen. Daneben verfolgen wir aber auch das Ziel, die hauptamtliche Lehre zu stärken. In den Verhandlungen zu den neuen Hochschulverträgen wird eine fünfundsiebzigprozentige Abdeckung der Lehre durch Professorinnen und Professoren gefordert.

Die Idee von Barbara Hubig und Imke Bremer, eine Erhebung über die Arbeits- und Kontextbedingungen des Wissenschaftlichen Personals durchzuführen, haben wir aufgegriffen. Wir danken ihnen für die Umsetzung. Im ersten Akademischen Senat des Wintersemesters werden die Ergebnisse vorgestellt.

Auf Initiative von fünf Gastdozierenden wurde vom AS eine AG Wissenschaftliches Personal eingerichtet, die die Belange der „Akademischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“ (so die Bezeichnung für Lehrbeauftragte, Gastdozierende und Wissenschaftliche Mitarbeiter/-innen im BerlHG) mitgliedergruppenübergreifend bespricht und entsprechende Beschlusslagen für den AS vorbereitet.

Kontinuität qualitätsvoller Lehre sichern

An der Alice Salomon Hochschule Berlin wird von der nach § 113 des Berliner Hochschulgesetzes vorgeprägten Möglichkeit, Gastdozenturen und Gastprofessuren zu vergeben, konsequent Gebrauch gemacht. Vorübergehend nicht besetzte Professuren der Hochschule und aus besonderen Drittmitteln zur Nachwuchsförderung finanzierte Stellen stehen dafür übergangsweise in Praxis, Lehre und Forschung besonders erfahrenen Personen für einen begrenzten Zeitraum zur Verfügung. Dies sichert die Kontinuität qualitätsvoller Lehre insbesondere während der Vakanz einer hauptberuflichen Besetzung der Professuren und fördert auf diese Weise substanziell die Entwicklung des wissenschaftlichen Nachwuchses.

Gastprofessorinnen und -professoren sowie Gastdozentinnen und -dozenten sind an der ASH Berlin bereits weitgehend mit den Aufgaben hauptamtlich Lehrender – einschließlich der Teilnahme an der hochschulischen Selbstverwaltung – betraut. Sie können so einerseits in professioneller Weise in Lehre und Forschung frische Perspektiven einbringen und andererseits verantwortungsvolle Erfahrungen eines sehr lebendigen und vielschichtigen Hochschulbetriebes erwerben. Damit möglichst viele qualifizierte Personen von dieser Möglichkeit profitieren und sich auch entsprechend wissenschaftlich weiterentwickeln können, werden die Gastprofessuren und Gastdozenturen grundsätzlich in Teilzeit vergeben – also im Regelfall über die Hälfte der Lehrverpflichtung – und sie werden für eine begrenzte Zeit vergeben, nach Möglichkeit mindestens für ein Jahr, unter Umständen auch mit einer Verlängerungsoption. Die den Gastdozenturen und Gastprofessuren zugrunde liegenden freien Dienstverträge mit der Hochschule werden in Anlehnung an das Tarifrecht vergütet und beinhalten eine Sozialversicherungspflicht. Die Besetzung der Stellen wird unter Einbeziehung der Studiengangsleitungen vorgenommen, und das Verfahren ist transparent in Richtlinien des Rektors geregelt. Im Sommersemester 2016 gab es einundzwanzig Gastprofessorinnen/Gastprofessoren oder Gastdozentinnen/Gastozenten an der Alice Salomon Hochschule Berlin, wofür wir sehr dankbar sind.

Förderung durch Mentoring gefordert

Der Weg zur Hochschulprofessur und mithin das Profil und der Weg des wissenschaftlichen Nachwuchses an Hochschulen ist sehr vielfältig. Mit anderen Worten, es lässt sich nicht ohne Weiteres von „dem wissenschaftlichen Nachwuchs“ einer Hochschule sprechen. Deshalb denken wir über die Förderung ganz unterschiedlicher beruflicher Wege nach. Das Wissenschaftliche Personal hat dafür den Bedarf nach Mentoring für frei- und nebenberuflich Lehrende sowie Wissenschaftliche Mitarbeiter/-innen und Promovierende eingebracht. In unserem Entwicklungsplan 2016–2020 haben wir diesen Wunsch festgehalten und werden uns um eine Umsetzung bemühen.

Sowohl die Diskussionen um den „Pakt für gute Beschäftigungen an den Berliner Hochschulen“ als auch die Podiumsdiskussion „Hochschulpolitischer Wahlcheck“ am 5. Juli 2016 in unserer Hochschule haben gezeigt, dass die Situation des wissenschaftlichen Nachwuchses im besonderen Interesse der politischen Akteurinnen und Akteure steht und in der nächsten Legislaturperiode inhaltliche Regelungen zu erwarten sind. Hier ist es erwähnenswert, dass in dem o. g. Pakt (nach derzeitigem Stand) die Situation der Lehrbeauftragten nur in der Präambel angesprochen wird. Hier wird ihr Beitrag für die Lehre gewürdigt und die Angemessenheit der Lehrauftragsvergütung einer Kontrolle unterworfen. Weitergehende Regelungen betreffen die Teilzeitregelungen für Wissenschaftliche Mitarbeiter/-innen (mindestens 50 Prozent) und regeln Befristungen (Qualifizierungs- und Drittmittelbefristungen).

Wir treten für ein Promotionsrecht ein

Von großer Bedeutung ist die Regelung, Wissenschaftlichen Mitarbeiter/-innen „(…) auf den einzelnen Qualifikations- und Karrierestufen und in den Übergangs- und Wechselphasen durch angemessene Betreuung, Beratung und sonstige Maßnahmen zu unterstützen“.

Dies impliziert auch, dass wir die Bedarfe unter den Projektmitarbeitenden erheben sowie kennen und die jeweiligen Projektleitungen auf diese Aufgabe vorbereiten müssen.

Die AG Wissenschaftliches Personal hat hierzu bereits einen Anfang gemacht und dem AS am 12. April 2016 Eckpunkte zur Förderung der Arbeitsbedingungen und beruflichen Entwicklungen von Projektmitarbeitenden vorgelegt.

Es muss einen echten Mittelbau an Fachhochschulen geben, um attraktive Forschungsvoraussetzungen zu schaffen, die Drittmittelfähigkeit weiter zu stärken und Entwicklungsprojekte, wie z. B. „alice solidarisch“, zu ermöglichen. Das gesellschaftliche Interesse an Forschung im SAGE-Bereich und an sozialen Innovationen ist stark gestiegen, und mit diesem Interesse findet unsere Forschungsleistung immer mehr Anerkennung.

Wir treten nicht zuletzt für ein Promotionsrecht ein. Nachdem die Möglichkeit, Promotionsstipendien über das Berliner Chancengleichheitsprogramm (BCP) zu vergeben, im letzten Jahr ausgelaufen ist, fördert die ASH Berlin 2016 aus eigenen Mitteln 6 Stipendien für Promovendinnen.

Angesichts der strukturellen Defizite ist dies alles mitunter Flickwerk. Um dem zu begegnen, wird die ASH Berlin nun in den nächsten drei Jahren ein „Konzept zur nachhaltigen Förderung der Berufswege und der wissenschaftlichen Qualifizierung von Frauen* an der Hochschule“ entwickeln.

 

Uwe Bettig (Rektor)
Bettina Völter (Prorektorin)
Nils Lehmann-Franßen (Prorektor)