In den letzten zwei Jahren ist im Arbeitsfeld Flucht und Migration viel passiert. Große Fluchtbewegungen aus Syrien, Afghanistan und anderen Ländern des globalen Südens haben die Europäische Union dazu veranlasst, die Grenzen wieder physisch zu verstärken. Die Bundesregierung hat neue sichere Herkunftsländer und Asylrechtsverschärfungen beschlossen, aber in Zusammenarbeit mit den Bundesländern auch neue Finanzierungstöpfe geöffnet und Stellen geschaffen. Gleichzeitig sind verschiedenste zivilgesellschaftliche Akteure im Bereich Flucht und Migration aktiv geworden, aber es hat auch ein starker Rechtsruck in Deutschland stattgefunden. Dies alles sind Faktoren, die den Diskurs und die Praxis in der Sozialen Arbeit, aber auch gesamtgesellschaftlich, beeinflussen und polarisieren.
Doch wie haben sich die Arbeitsbedingungen der Sozialarbeitenden im Bereich Flucht und Migration tatsächlich verändert? Welchen Herausforderungen und Schwierigkeiten begegnen sie in ihrer Arbeit und können sie diese überhaupt noch menschenrechtsorientiert durchführen? Diese Fragen beschäftigten uns in unserem studentischen Forschungsprojekt „Die Auswirkungen der Asylpakete auf die Arbeit von Sozialarbeiter_innen“ im Rahmen unseres Theorie-Praxis-Vertiefungsseminars, das im Sommersemester 2017 von Prof. Dr. Theda Borde geleitet wurde. Wir befragten dazu drei Sozialarbeiter_innen, die in verschiedenen Einrichtungen im Bereich Flucht und Migration tätig sind, anhand von ca. 30-minütigen Interviews. Die Audiodateien der Interviews wurden transkribiert und entsprechend der qualitativen Inhaltsanalyse ausgewertet.
Die Ergebnisse zeigen, dass die Sozialarbeiter_innen häufig an die Grenzen ihrer Möglichkeiten stoßen, wenn es gilt, zwischen den gesetzlichen Rahmenbedingungen und den Bedürfnissen ihrer Klient_innen zu vermitteln. Oft begegnen sie Problemen wegen des eingeschränkten Familiennachzugs oder Abschiebungen auf der Grundlage der Asylgesetzgebung und damit verbundenen psychosozialen Belastungen sowie willkürlich scheinenden Handlungen der Behörden. Die befragten Sozialarbeiter_innen waren sich einig, dass ihre Arbeitsbedingungen dadurch erschwert sind, dass verschiedene Behörden nur sehr schlecht miteinander kooperieren und die Verteilung der neu zur Verfügung gestellten Mittel wenig vorausschauend und koordiniert erscheint. Verbessert haben sich dagegen Angebote wie Deutschkurse, Sprachmittlung und der Zugang von Geflüchteten und Migrant_innen zum Arbeitsmarkt in Berlin. Gefordert wurden vor allem mehr Transparenz in behördlichen Prozessen, mehr qualifizierte Sozialarbeiter_innen und Personal in den Behörden, Maßnahmen der Qualitätssicherung und Arbeitsbedingungen, die eine bessere Orientierung an den Problemlagen der geflüchteten Menschen bzw. Migrant_innen ermöglichen. Auch wurde der Bedarf an Vernetzung und Weiterqualifizierung deutlich. Die Sozialarbeiter_innen räumten ein, dass zwar viele Fortbildungen zu verschiedenen wichtigen Themen angeboten werden, diese aber aufgrund der hohen Arbeitsbelastung und fehlender Zeit wenig genutzt werden können. Die Interviews zeigten auch, dass politisches Engagement, um auf die Arbeitssituation der Sozialarbeiter_innen aufmerksam zu machen und damit Veränderungen zu bewirken, nur marginal vorhanden ist. Wir halten es jedoch für zwingend notwendig, da nur auf diesem Wege, Strukturen und Ressourcen für menschenrechtsorientierte Arbeit geschaffen werden können.