Kritische und emanzipatorische Pädagogik? Was denn sonst!
#AlleFürEne - Eine Klarstellung
"Es gibt keine Orte und keine Zeiten, die uns zwingen (dürfen), die tiefste Anerkennung und Bejahung der Pluralität von Menschen aufzugeben. Und es gibt keine Orte und keine Zeiten, die uns zwingen (dürfen), das eigenständig-kritische Denken aufzugeben. Die Unverletzlichkeit und Würde eines jeden Menschen ist der Referenzrahmen."
(Institut „Social Justice & Radical Diversity“)[i]
Die Amadeu Antonio Stiftung hat eine Handreichung zum Umgang mit rechtsextremen Erwachsenen in der Kita herausgegeben (Ene, mene, muh – und raus bist Du! Ungleichwertigkeit und frühkindliche Pädagogik)[ii], deren Inhalte von rechten Blogs und einer rechten Wochenzeitung aus dem Zusammenhang gerissen und verkürzt wiedergegeben wurden. Es wurden Behauptungen aufgestellt, die sich aus dem Text der „Ene, mene, muh“-Broschüre nicht ergeben.[iii]
Da eine*r der Autor*innen Angehörige*r der Alice Salomon Hochschule Berlin ist, möchten wir als Studierendenvertreter*innen der ASH Berlin unsere Sicht der Dinge darlegen.
Wir verurteilen den Umgang mit der "Ene, mene, muh"-Broschüre, der komplett an den inhaltlichen Aussagen vorbei ging.
Emanzipatorische Wissenschaft verdient es, dass sich Menschen mit ihr auseinandersetzen.
In diesem Fall wurde die Argumentation der Broschüre jedoch unsachlich wiedergegeben, bzw. überhaupt nicht beachtet.[iv] Es scheint, als sei es egal, wie fachlich fundiert Sachverhalte von kritischen Wissenschaftler*innen dargelegt werden, wie argumentiert wird – sobald Begriffe wie vorurteilsbewusste Pädagogik, Gender oder Geschlechtervielfalt fallen, wird die inhaltliche Auseinandersetzung durch populistische Übertreibungen und persönliche Angriffe ersetzt, wobei den diskreditierten Personen perfiderweise gleichzeitig genau das vorgeworfen wird.
Die Care-Berufe, wie z.B. die Pflegefachberufe und die Soziale Arbeit, kämpfen seit Jahren für eine Professionalisierung: Aus Kindergärtner*innen wurden Erzieher*innen und Kindheitspädagog*innen mit Hochschulabschluss.
Die Soziale Arbeit versteht sich als „eine wissenschaftliche Disziplin, deren Ziel die Förderung des sozialen Wandels, der sozialen Entwicklung und des sozialen Zusammenhalts sowie die Stärkung und Befreiung der Menschen ist. Die Prinzipien der sozialen Gerechtigkeit, die Menschenrechte, gemeinsame Verantwortung und die Achtung der Vielfalt bilden die Grundlagen der Sozialen Arbeit." (Global Definition of Social Work, 2014)[v]
Zu sehen, wie wichtige, kritische, menschenrechtsorientierte Publikationen und ihre Autor*innen öffentlich diffamiert werden, ist für uns ein Schlag ins Gesicht.
Besonders erschreckend ist für uns die Tatsache, dass Begriffe, Vorwürfe und der generelle Duktus rechter Blogs von Mainstream-Medien (B.Z., BILD, Focus) übernommen wurden.[vi] Andere Medien, wie z.B. der Faktenfinder der Tagesschau[vii] haben einen deutlich inhaltsbezogeneren, differenzierteren Umgang (mit der in unseren Augen nicht "umstrittenen", sondern notwendigen Handreichung) bewiesen.
Wir wünschen uns von den Vertreter*innen der schreibenden Zunft eine Rückkehr zu Recherche und journalistischer Redlichkeit. Wenn Sie Inhalte der Genderstudies, Diversity- oder Vielfaltspädagogik nicht überzeugend finden, liefern Sie Argumente dagegen. Von rechten Blogs zu copy-pasten wird unserem Anspruch an guten Journalismus nicht gerecht und bestimmt entspricht es auch nicht dem, was Sie damals auf der Journalist*innenschule oder im Volontariat gelernt haben.
Sowohl die journalistische, als auch die wissenschaftliche Recherche haben Qualitätsstandards.
Würden wir als Studierende unsere Hausarbeiten so schreiben, wie sich die einschlägigen Artikel aus vergleichsweise respektablen Medien lesen, man würde uns Unwissenschaftlichkeit und Plagiat vorwerfen. Und das zu Recht.
Der diffamierende Umgang mit progressiven, kritisch-pädagogischen Publikationen wird der wichtigen Arbeit der Care-Professionen nicht gerecht. Wir fordern stattdessen einen fairen, menschenrechtsorientierten, wertschätzenden Diskurs – denn genau für eine solche Gesellschaft kämpfen wir als Sozialarbeiter*innen, Kindheitspädagog*innen, Pflegefachkräfte und Care-Arbeiter*innen.
Um kritische Wissenschaft zu betreiben, scheint es mittlerweile leider die Bereitschaft zu erfordern, sich persönlichen Beleidigungen, Drohungen und der Infragestellung der eigenen Wissenschaftlichkeit auszusetzen.
Wir stehen solidarisch hinter allen Hochschulangehörigen, die diesen Mut beweisen und danken allen kritischen Wissenschaftler*innen für ihre Arbeit.
Gerade in Zeiten, in denen sich der öffentliche Diskurs und die Art und Weise, wie mit und übereinander gesprochen wird, immer weiter nach rechts verschieben, fordern wir eine offene und emanzipatorische Gesellschaft und Wissenschaft.
Der Diskurs um die „Ene, mene, muh"-Broschüre steht exemplarisch für die Instrumentalisierung pädagogischer Fachfragen durch rechte und konservative Akteur*innen.
Einer ernstgemeinten Auseinandersetzung, wie z.B. mit Kinderrechten, wird somit der Raum genommen.
Für mehr kritisch-pädagogische Broschüren!
Für mehr Anerkennung von Care-Arbeit!
Für eine emanzipatorische Gesellschaft!
Die Studierendenvertreter_innen der ASH Berlin
#AllefürEne
[ii] www.gender-und-rechtsextremismus.de/aktuelles/ene-mene-muh/
[iii] uebermedien.de/33365/die-luege-von-der-schnueffel-fibel/
[iv] www.amadeu-antonio-stiftung.de/aktuelles/2018/ungleichwertigkeit-und-fruehkindliche-paedagogik/
[v] www.dbsh.de/profession/definition-der-sozialen-arbeit/deutsche-fassung.html
[vii] faktenfinder.tagesschau.de/inland/kita-broschuere-101.html