Wie kam es zu Ihrer Berufung in den Unabhängigen Expertenkreis Muslimfeindlichkeit?
Attia: Ich arbeite seit Anfang der 1990er Jahre zum Thema, anfangs habe ich von Antiislamismus gesprochen, später in Auseinandersetzung mit dem internationalen Forschungsstand und seiner Anpassung auf unsere Situation hier als antimuslimischen Rassismus. Im regierungspolitischen Kontext ist eher von Muslimfeindlichkeit die Rede, das nur zur Erklärung, warum wir verschiedene Begriffe benutzen, es gibt noch weitere… Seit 30 Jahren ist der antimuslimische Rassismus einer meiner Forschungsschwerpunkte. Nach meiner Wahrnehmung wird meine Arbeit gelesen und diskutiert. Es wird sowohl in der Wissenschaft als auch in Praxis und Politik darauf Bezug genommen. Insofern lag es wohl nahe, mich als eine von 12 Sachverständigen zu berufen, denke ich.
Was wird Ihre Aufgabe dort sein?
Attia: Die Kommission wird zwei Jahre lang beraten. Die Kommissionsmitglieder verfügen innerhalb dieses sehr facettenreichen Themas über jeweils eigene Schwerpunkte, die das Thema aus unterschiedlichen Perspektiven betrachten und sich daher gut ergänzen. Wir können weitere Sachverständige hören und Studien in Auftrag geben. Am Ende des Zeitraums werden wir die Erkenntnisse und Einschätzungen in einem Bericht zusammenfassen. Dieser wird dem Innenministerium vorgelegt, das uns berufen hat, aber auch öffentlich verfügbar sein. Die Kommission konstituiert sich erst nächste Woche und es wird sicherlich einige Sitzungen brauchen, bis wir uns darüber verständigt haben, wie wir vorgehen werden. Es wäre jetzt also noch zu früh, hierzu konkretere Angaben zu machen.
Inwieweit behandeln Sie das Thema Muslimfeindlichkeit in Lehre und Forschung?
Attia: In der Lehre decke ich das breite Feld Rassismus und Migration ab. Zum Themenbereich Rassismus gehört der antimuslimische Rassismus dazu, aber auch der Rassismus gegen Sinti_zze und Rom_nja, der antischwarze Rassismus und der Antisemitismus sowie deren Interrelationen, Gemeinsamkeiten wie Spezifika und auch die Intersektion zu anderen gesellschaftlichen Machtverhältnissen. In der Forschung kann ich mich stärker auf antimuslimischen Rassismus fokussieren, insbesondere in der Grundlagenforschung. In der Praxisforschung dagegen stehen wieder die Interrelationen und Intersektionen im Vordergrund und hier natürlich auch die Handlungsmöglichkeiten.
Weitere Informationen
Nach dem rassistischen Anschlag in Hanau am 19. Februar 2020, bei dem ein Mann in Hanau neun Menschen aus rassistischen Motiven ermordete, beschloss die Bundesregierung die Einrichtung eines "Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit" (UEM). Am 1. September wurden offiziell zwölf Mitglieder für den UEM berufen, darunter Prof. Dr. Iman Attia, die an der Alice Salomon Hochschule Berlin Rassismusforschung und Kritische Diversity Studies lehrt.