...und dann kam Corona In dieser Zeit muss man improvisieren

Professor Dr. Uwe Bettig berichtet aus dem Home-Office

Uwe Bettig an seinem Schreibtisch vor dem Computer und mit Kopfhörern auf den Ohren
Uwe Bettig in seinem privaten Arbeitszimmer

Seit Beginn der Schließung der Berliner Hochschulen arbeite ich nun im Home Office. Eigentlich nutze ich auch während der vorlesungsfreien Zeit und meinem aktuellen Forschungssemester gern mein Büro an der ASH Berlin – auch, um nicht ständig Bücher zwischen Büro und heimischem Schreibtisch hin und her schleppen zu müssen. Das ist nun leider nicht möglich.
Ich habe dann mit Passierschein noch einmal mein Büro aufgesucht, um möglichst alle Unterlagen, die ich benötigen könnte, zu Hause zu haben. Leider hat sich herausgestellt, dass ich nicht an alles gedacht habe. So musste ich häufig improvisieren – wie viele andere sicher auch.

Zum Glück habe ich ein kleines Büro zu Haus und kann dort gut arbeiten. Die Schulschließungen und das damit verbundene Home-Schooling erschweren die Arbeit allerdings massiv. Meine Frau und ich wechseln uns mit Arbeit und Home-Schooling ab – aber die Ruhe zum konzentrierten Arbeiten fehlt doch häufig. Trotz der privilegierten Situation, in der wir uns befinden, merken wir, dass wir keine Lehrkräfte sind und unseren Kindern die Kontakte zu Freunden sehr fehlen. Leider ist die Digitalisierung der Schulen zumindest in unserem Fall nicht vorhanden, so dass wir außer Aufgaben (die zumindest versendet werden bzw. in der Schule abgeholt werden) keine Unterstützung haben. Ich glaube aber, dass man in dieser Zeit improvisieren muss und auch die Erwartungen herunterschrauben sollte.

„Leider scheint der Fußball in Deutschland einen höheren Stellenwert als die Schulen einzunehmen.“

Vor diesem Hintergrund hoffe ich auch auf eine rasche Öffnung der Schulen (und Kitas), was m.E. auch machbar ist. So sollte in Schulen viel mehr getestet werden. Es rächt sich aber auch der schlechte bauliche Zustand der Berliner Schulen, Hygienemaßnahmen sind so schwer umsetzbar. Hier hätte ich mir mehr Engagement gewünscht. Leider scheint aber der Fußball in Deutschland einen höheren Stellenwert als die Schulen einzunehmen – das frustriert mich sehr. Für die Zukunft wünsche ich mir, dass mehr in Bildung und die dazugehörige Infrastruktur investiert wird, da wir mit weiteren Pandemien rechnen müssen. Dabei ist zwingend darauf zu achten, dass für alle Kinder Zugang zu digitalen Lösungen gewährleistet wird und Ungerechtigkeiten nicht zementiert bzw. vergrößert werden.

Durch mein aktuelles Forschungssemester habe ich nur zwei Lehrveranstaltungen – gemeinsam mit Kollegen betreue ich zwei Projektsemester. Diese Veranstaltungen laufen auch dank des Engagements der Studierenden bislang sehr gut. Eigentlich waren in einem Projekt Erhebungen in einem Medizinischen Versorgungszentrum geplant, das ist aber momentan nicht denkbar, so dass wir den Inhalt komplett überarbeitet haben. Online-Lehre ist m.E. in dieser Krise notwendig und richtig, ich freue mich aber sehr auf eine Rückkehr zur Normalität mit Präsenzveranstaltungen. Der direkte Kontakt und die Diskussion sind m.E. nur schwer in der digitalen Welt umzusetzen.

Meine Forschungsprojekte laufen – vor allem Dank des Einsatzes der Wissenschaftlichen und Studentischen Mitarbeiter_innen weiter. Allerdings sind nicht alle Projektschritte wie geplant umsetzbar, so sind geplante Prozessbeobachtungen aktuell in Pflegeeinrichtungen nicht durchführbar (Projekt PPZ-Berlin). Ich hoffe hier auf eine Verlängerung der Laufzeiten.

Ich freue mich aber auf das neu beginnende Projekt ASH-Exist, infolge dessen ein Gründer_innenzentrum an der ASH Berlin entstehen wird. Gemeinsam mit Hans-Jürgen Lorenz führe ich gerade den Einstellungsprozess der Wissenschaftlichen Mitarbeiter_innen durch. Sicher wird der Start komplett anders als geplant ablaufen, aber das Projekt bietet die Chance, Social Entrepreneurship und Intrapreneurship an der ASH Berlin in Forschung und Lehre zu etablieren. Unseren Studierenden erschließt sich damit ein neues Feld und der Kontakt zu Unternehmen, Verbänden und Vereinen wird weiter gestärkt.

Sehr positiv für meine Arbeit ist, dass ich in den zurückliegenden zwei Monaten zwei Projektanträge habe erarbeiten und einreichen können und hoffe nun natürlich auf Förderung. Hier gilt mein großer Dank den Kolleg_innen des Forschungsreferats, besonders Jana Ennullat und Ali Schwarz, die immer erreichbar waren und uns mit Rat und Tat zur Seite gestanden haben.

Online-Ringvorlesung #Corona

Ebenso habe ich mit Kolleg_innen eine interdisziplinäre Online-Ringvorlesung (#Corona – Facetten, Implikationen und Auswirkungen einer Pandemie) entwickelt. Jeden Mittwoch bietet sich auch für Angehörige der ASH Berlin die Möglichkeit zu diskutieren, welche gesundheitlichen, gesellschaftlichen und ökonomischen Auswirkungen zu erwarten sind.

Eine sehr schöne Erfahrung in dieser für uns besonderen Zeit ist auch, dass ich nicht mehr allein joggend meine Runden durch die Parks ziehen muss sondern nun mit meinen Kindern gemeinsam laufe. Leider kann die Team-Staffel in diesem Jahr nicht stattfinden – die ASH Berlin war hier ja immer sehr aktiv. Es scheint, als haben viele nun das Joggen als Sport für sich entdeckt, was mit den geltenden Abstandsregeln zwar nicht immer vereinbar ist, jedoch dem Wohlbefinden sehr dienlich ist. Mit meiner Familie haben wir einige Wandertouren in Brandenburg unternommen und unseren ersten Waschbären in freier Wildnis betrachten dürfen.

 

Die Reihe ...und dann kam Corona beschäftigt sich mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie auf das Hochschulleben und seine Akteur_innen.