„Als die Frauenbewegung in ihren ersten Anfängen neue Berufsmöglichkeiten für Frauen zu erringen strebte, wurde jeder Platz, der sich den Frauen neu auftat, mit Enthusiasmus begrüßt. (…) Erst nach einigen Jahrzehnten, als die Berufstätigkeit der Frau auf den verschiedensten Gebieten gesichert war, als das Erwerben als etwas Selbstverständliches hingenommen wurde, traten Erwägungen anderer Art in den Vordergrund. Man begann zu empfinden, (…) daß die arbeitende Frau ebenso wie der arbeitende Mann neue Abhängigkeiten und Bindungen auf sich nehmen muß: die Abhängigkeit vom Arbeitgeber.“
(Alice Salomon, 1908, “Frauen als Arbeitgeberinnen.” in: Baltische Frauenzeitschrift, 2. Jg., Juni 1908, S. 1073-1078.)
Ende Oktober 2024 fand an der AliceSalomonHochschule Berlin die inspirierende Abschlussveranstaltung der Projekte ASHEXIST und EXIST-Women statt. Unter dem Motto „Hin zu einer SAGE-Gründungskultur: Empowerment, Chancen, Vielfalt“ stand der Tag ganz im Zeichen der gesellschaftlichen Relevanz von Selbstständigkeit und Social Entrepreneurship, er zog zahlreiche Studierende, Gründerinnen, Projektunterstützerinnen sowie Interessierte an, die sich für alternative Karrierewege, unternehmerische Herausforderungen und die transformative Kraft von (sozialen) Gründungen begeistern.
Eröffnungsworte und Hintergrund des Projekts
Den Auftakt bildeten die Grußworte von Prof. Dr. Gesine Bär, Vizepräsidentin für Forschung, Kooperation und Weiterbildung und Prof. Dr. Uwe Bettig, Dekan vom Fachbereich II und Projektleiter von ASHEXIST und EXIST-Women.
Uwe Bettig blickte zurück auf die Ursprünge der Projekte, die auf jahrelangen Erfahrungen des Career Services und auf eine Bedarfsanalyse zurückgehen: Diese zeigte deutlich den Wunsch nach alternativen Berufswegen, einem stärkeren Fokus auf Selbstständigkeit sowie wachsendes Interesse an sozialunternehmerischen Ansätzen.
Beide Redner_innen machten auf strukturelle Herausforderungen im Kontext beruflicher Selbstständigkeit aufmerksam. So bereiten Curricula an Hochschulen Studierende bislang nur selten gezielt auf eine mögliche Selbstständigkeit vor. Die akademische Gründungsszene bleibt vielerorts cis-männlich geprägt. Gerade in einer Hochschule wie der ASH Berlin, mit einem hohen Anteil an Studentinnen und Studierenden jenseits des binären Geschlechterspektrums, liegt großes Potenzial, neue Impulse zu setzen und eine vielfältigere Gründungskultur zu fördern.
Paneldiskussion: Herausforderungen und Chancen einer diversen Gründungskultur
Ein Höhepunkt desTages war die Paneldiskussion mit den Gründer_innen Nare Yesilyurt (Deta-Med), Anthony Owosekun (EMPOCA) und Manfred Radermacher (Enterability). Offen berichteten die drei über ihre Gründungswege und gaben praxisnahe Einblicke und Tipps.
Gründung bedeutet auch Durchhaltevermögen – oder, wie es ein Panelgast formulierte: „Unternehmertum ist ein Marathon.“ Neben Resilienz sind erfolgreiche Kommunikation und ein bewusster Umgang mit Finanzen Schlüsselkompetenzen auf dem Weg zur Selbstständigkeit. Rückschläge gehören dabei ebenso dazu wie die kleinen und großen Erfolge.
Die drei Panelgäste beeindruckten mit ihren vielfältigen unternehmerischen Aktivitäten: vom Aufbau eines kultursensiblen Pflegedienstes, über ein naturpädagogisches Angebot für Schwarze Kinder und Jugendliche, bis hin zur Begleitung von über 600 Menschen mit Behinderung auf ihrem Weg in die Selbstständigkeit.
Der Weg zur Gründung ist oft steinig – und für Menschen, die mehrfach Diskriminierung erfahren, umso mehr. Umso bedeutender sind zielgruppenspezifische Unterstützungsangebote wie ASHEXIST, die genau dort ansetzen, wo konventionelle Strukturen oft nicht greifen. Sie eröffnen neue Perspektiven und fördern Selbstbestimmung.
Interaktive Workshops und gemeinsames Gestalten
Zur Mittagszeit boten interaktive Gruppenworkshops Raum für aktiven Austausch und gemeinsames Weiterdenken. Die Teilnehmer_innen waren eingeladen, sich einzubringen, Erfahrungen zu teilen und Visionen für eine vielfältige SAGE-Gründungskultur zu entwerfen. Drei thematisch unterschiedliche Workshops boten dabei unterschiedliche Perspektiven und Schwerpunkte:
• „Zukunftswerkstatt: Das Gründer*innenzentrum der ASH Berlin als Teil eines ko-kreativen und sozial-innovativen Ökosystems“: In diesem partizipativen Workshop wurden Ideen für ein lebendiges, inklusives Gründer*innenzentrum an der ASH Berlin nach Auslaufen des Projekts ASHEXIST entwickelt. Im Zentrum standen die Fragen: Wie kann ein Gründungsort aussehen, der soziale Innovation fördert? Und welche Strukturen braucht es, um Studierende langfristig zu unterstützen?
• „Zukunftsangst und Selbstermächtigung – Gründungsperspektiven für queere Studierende“: Dieser Workshop rückte die Erfahrungen queerer Studierender in den Fokus. Diskutiert wurde, welche Barrieren durch Diskriminierung in der Arbeitswelt bestehen – und inwiefern die Selbstständigkeit als empowernder Weg genutzt werden kann, sich selbst berufliche Freiräume und sichere Räume zu schaffen.
• „Berufliche Perspektiven und Wege in die Selbstständigkeit im SAGE-Bereich“: Hier stand die Auseinandersetzung mit individuellen Vorstellungen von Selbstständigkeit im Mittelpunkt. Die Teilnehmer*innen reflektierten persönliche Zugänge, berufliche Optionen und konkrete Anforderungen an Gründungen in den Bereichen Soziales, Arbeit, Gesundheit und Erziehung. Praxisnahe Tipps rundeten den Austausch ab.
Rückblick und Ergebnisse: Was ASHEXIST und EXIST-Women bewegt haben
Am Nachmittag folgte ein Rückblick auf die Projekte ASHEXIST (2020–2024) und EXIST-Women (2023-2024), die an der ASH Berlin wichtige Impulse für eine vielfältige Gründungskultur gesetzt haben. ASHEXIST, gefördert im Rahmen der EXIST-Potentiale-Förderlinie des BMWK, ermöglichte erstmals den Aufbau nachhaltiger Strukturen zur Gründungsförderung an der Hochschule. Mit der Einrichtung des Gründer*innenzentrums, das 2022 eröffnet und 2024 in die Hochschulstruktur überführt wurde, entstand eine zentrale Anlaufstelle für gründungsinteressierte Studierende und Mitarbeitende – mit besonderem Fokus auf SAGE-Gründungen (Soziale Arbeit, Gesundheit, Erziehung & Bildung), Female Entrepreneurship und Social Entrepreneurship.
Durch Beratungen, Workshops, Mentoring, Netzwerkveranstaltungen sowie die Integration von Gründungsthemen in die Lehre wurde eine breite Sensibilisierung für Selbstständigkeit erreicht. Besonders hervorzuheben sind:
• die individuelle Gründungsberatung und das Coaching, die Studierende auf ihrem Weg begleiteten,
• ein praxisnahes Workshopprogramm, zielgruppenspezifische Veranstaltungsformate und Talkrunden, darunter speziell entwickelte Qualifizierungen für Frauen*,
• Kooperationsveranstaltungen mit Partner*innen wie SEND e.V., Gründerinnenzentale, Berliner Hochschule für Technik, Paritätischer Wohlfahrtsverband, Gesundheitscampus am ukb e.V. und mehr.
• die Einbindung von Role Models, die als Referentinnen persönliche Einblicke gaben, Orientierung boten und Mut machten
• sowie die Verankerung von Social Entrepreneurship in der Lehre, z.B. durch neue Wahlpflichtmodule und Weiterbildungen für Lehrende.
Auch die entwickelten Veröffentlichungen trugen zur Sichtbarkeit bei – darunter das erste wissenschaftliche Handbuch zu Social Entrepreneurship in Deutschland sowie praxisnahe Ratgeber („Wege zur Selbstständigkeit“, „Förderung und Finanzierung“), die die Studierenden nutzen können.
Mit der Fachtagung und dem Barcamp im November 2023 wurde die ASH Berlin als Vorreiterin in den Bereichen Social Entrepreneurship und SAGE-Gründungen bundesweit sichtbar und brachte Akteur_innen aus Wissenschaft, Praxis und Politik zusammen. So hat das Projekt nicht nur neue Strukturen geschaffen, sondern auch eine Debatte darüber angestoßen, wie Hochschulen zur Förderung einer diversen, gemeinwohlorientierten Gründungskultur beitragen können.
Ein besonderer Moment des Tages war die Vorstellung von innovativen Gründungsideen durch Teilnehmer_innen des EXIST-Women-Programms. In kurzen Pitches zeigten sie, wie sie durch das Projekt motiviert wurden, eigene unternehmerische Wege zu gehen. Jasmin Brückner (Absolventin M.A. Biografisches und Kreatives Schreiben) präsentierte in einer eindrucksvollen Spoken-Word-Performance den Weg als Künstlerin, Texterin und Workshopleiterin – und gab damit einen sehr persönlichen Einblick in kreative Selbstständigkeit. Mian Rühl (M.Sc. Management und Qualitätsentwicklung im Gesundheitswesen) stellte ein Gründungsvorhaben zu FLINTA-spezifischen physiotherapeutischen Angeboten vor – ein Projekt, das Versorgungslücken sichtbar macht und gezielt angeht.
Ein besonderer Shout-out geht an Melisa Kalayci und Sabrina Zanella, ein Team aus dem EXIST-Women-Programm der ASH Berlin, das an einer Wohngemeinschaft für krebskranke Kinder und Jugendliche arbeiten, um ihre bestmögliche Reintegration in den Alltag zu fördern und Spätfolgen entgegenzuwirken. Sie überzeugten mit ihrer Gründungsidee auf der Deutschen Gründer- und Unternehmertage (deGUT) 2024 und gewannen den Publikumspreis im Rahmen der Veranstaltung „Gründerinnen: StartUp!“. Ein starkes Zeichen für die kreative und gesellschaftlich relevante Gründungsarbeit, die im Rahmen von EXIST-Women an der ASH angestoßen wurde.
Im Anschluss sprach Dr. Katja von der Bey, Geschäftsführerin der WeiberWirtschaft eG, in einem Impulsvortrag zum Thema „Gründerinnenfreundliche Hochschule“. Ausgangspunkt war das Projekt „InnoGründerinnen“ der bundesweiten gründerinnenagentur (bga), das auf Basis quantitativer und qualitativer Daten analysierte, wie Hochschulen strukturell aufgestellt sein sollten, um Frauen in der Gründungsphase gezielt zu unterstützen. Dr. von der Bey zeigte auf, wie zielgerichtete Angebote, diversitätssensible Strukturen und gelebte Vorbilder dazu beitragen können, eine Umgebung zu schaffen, in der Frauen* motiviert werden, eigene Gründungsideen zu entwickeln und umzusetzen. Best-Practice-Beispiele veranschaulichten dabei, wie eine gründerinnenfreundliche Hochschulkultur konkret aussehen kann.
Zum Abschluss der Veranstaltung gab Dr. Philipp Kenel einen Ausblick auf die Zeit nach ASHEXIST. Im Fokus standen die nächsten Schritte für eine vielfältige und diskriminierungssensible Gründungskultur an der ASH Berlin. So soll einen Basis-Ausstattung der zielgruppenspezifische Förderung beim Einstieg in die Selbstständigkeit weitergeführt und mittelfristig erneut über ein größeres Drittmittelprogramm ausgebaut werden. Darüber hinaus beteiligt sich die ASH Berlin aktiv am UNITE-Verbundantrag der Berliner und Brandenburger Hochschulen zur Stärkung gemeinsamer Gründungsaktivitäten.
Im Rahmen des Transfer-Audits, den die ASH Berlin gemeinsam mit dem Stifterverband durchlaufen ist, wurden für die Hochschule konkrete Empfehlungen formuliert – darunter die Prüfung einer Professur für Social Entrepreneurship sowie die Entwicklung eines entsprechenden Studiengangs.
Neben diesen langfristigen Perspektiven gilt es nun, kurzfristige Ziele entschlossen anzugehen: die Sicherung und Verankerung zentraler Angebote – wie Beratung, Sensibilisierung und Qualifizierung – sowie die nachhaltige Unterstützung von Projektentwicklungen und Ausgründungen durch Hochschulangehörige. Ziel ist es, nicht nur zur Attraktivität der ASH Berlin als Hochschule beizutragen, sondern auch ihre Rolle als gesellschaftlich relevante Akteurin im Gründungskontext weiter zu stärken. Mit ihrer Spezialisierung auf Gründungen im SAGE-Bereich, durch Frauen* sowie weitere unterrepräsentierte Gruppen nimmt sie eine einzigartige Position innerhalb der bundesweiten Gründungslandschaft ein. Dieses Profil soll weiter geschärft und in die Öffentlichkeit getragen werden.
Gerade in gesellschaftlich herausfordernden Zeiten – in denen staatliche Förderprogramme wie EXIST-Potentiale auslaufen, die Haushaltslage angespannt und keine dauerhafte institutionelle Förderung in Sicht ist – braucht es Engagement, Partnerschaften und Sichtbarkeit. Deshalb ging ein ausdrücklicher Appell an die anwesenden Netzwerkpartner_innen.
Die Veranstaltung endete in offener und vernetzender Atmosphäre. Beim Ausklang hatten die Teilnehmenden Gelegenheit, das Gehörte und Erlebte in persönlichen Gesprächen zu vertiefen, neue Kontakte zu knüpfen und Pläne für die Zukunft zu schmieden.
Nachwort: Optimistisch bleiben in schwierigen Zeiten
Mit ihrem klaren Profil in den Bereichen SAGE-Gründungen, Female Entrepreneurship und Social Entrepreneurship nimmt das Gründer*innenzentrum an der ASH Berlin eine besondere Rolle in der regionalen, bundesweiten und sogar internationalen Hochschullandschaft ein. Es adressiert unterrepräsentierte Bereiche mit großem gesellschaftlichem Potenzial. Gerade im Kontext von Fachkräftemangel, demografischem Wandel und wachsenden gesellschaftlichen Herausforderungen sind soziale Innovationen und SAGE-Gründungen wichtiger denn je.
Doch dieser Fortschritt ist gefährdet. Aufgrund der Ende November 2024 angekündigten Kürzungen des Berliner Senats und den daraus folgenden Einsparungen an der Hochschule muss das Gründer*innenzentrum massive Einschränkungen hinnehmen. Seit Januar 2025 ist es nur noch durch eine Teilzeitstelle „Social Entrepreneurship und Intrapreneurship“ vertreten – die direkte Ansprechperson für gründungsinteressierte Studierende fällt weg. Damit stehen zentrale Angebote auf dem Spiel, die in den vergangenen Jahren gezielt aufgebaut wurden.
Doch gerade jetzt braucht es diese Angebote. In einer Zeit multipler Krisen wächst für viele der Wunsch – oder auch die Notwendigkeit –, selbstbestimmte berufliche Wege einzuschlagen. Der Druck auf die Arbeitsbedingungen in den SAGE-Berufen nimmt spürbar zu, viele Beschäftigte werden sich umorientieren oder nach neuen Perspektiven suchen müssen. Besonders herausgefordert sind dabei Studierende, die mit strukturellen Benachteiligungen oder (Mehrfach-)Diskriminierung konfrontiert sind.
Umso wichtiger ist es, dass Hochschulen Räume eröffnen, in denen Studierende nicht nur auf abhängige Beschäftigung vorbereitet werden, sondern zu aktiven Gestaltenden ihrer eigenen Berufswege werden können.
Genau hier könnte das Gründer*innenzentrum der ASH Berlin ansetzen: durch Ermutigung, Befähigung und Begleitung – mit niedrigschwelligen, diskriminierungssensiblen Angeboten, gezielter Beratung und einem Netzwerk aus Role Models und Unterstützer*innen. Im Sinne von Alice Salomon, die sich Zeit ihres Lebens für soziale Gerechtigkeit und die berufliche Unabhängigkeit von Frauen stark gemacht hat, sollte die Hochschule auch eine Vision von Selbstermächtigung und Gestaltungsspielraum bieten. Gerade jetzt braucht es diese Strukturen. Gerade jetzt braucht es die ASH Berlin als Ermöglichungsraum für neue Wege in Arbeit und Gesellschaft.
Philipp Kenel, Uwe Bettig, Melanie Akerboom, Jutta Overmann, Lena Boderke
Zum Schluss sollen an dieser Stelle die zu Wort kommen, um die es geht, hier einige Stimmen von Studierenden aus dem Seminar „Vertiefung Sozialökonomie und Sozialmanagement“, B.A. Soziale Arbeit, 4. Semester:
„Soziale Arbeit ist keineswegs ein hierarchiearmes Feld. Im Sozialarbeier*innen – Adressat*innen Verhältnis leider sowieso aber auch unter den Sozialarbeitenden: Überall wo ich bisher gearbeitet hab, gab es eine Leitungsperson, die kaum etwas von der täglichen Praxis der Stelle mitbekommen und trotzdem die wichtigen Entscheidungen getroffen hat. Das waren oft endo-cis Männer, mit deutlich weniger Praxiserfahrung als die (anderen) Angestellten, meist FLINTA*s (= Frauen, Lesben, inter*, nicht-binäre, trans* und agender Personen). Oft haben sie Entscheidungen getroffen, die nicht sinnvoll sind und strukturelle Probleme, die uns täglich begegnet sind, nicht angingen. Durch Existenzgründung hat dabei das Potential eine weniger hierarchische Struktur zu schaffen. Damit einher ginge ein besseres Arbeitsklima, der Einbezug von mehr Erfahrungswissen bei Entscheidungen und auch die leitende Person wäre entlasteter, wenn die Verantwortung besser verteilt ist. Das ist natürlich nicht bei jeder Existenzgründung der Fall, ganz im Gegenteil, es kann ja auch ein weiteres hierarchisches Unternehmen aufgebaut werden, das kommt auf die gründende(n) Person(en) an. Zumindest aber bietet Existenzgründung die Möglichkeit es anders zu machen.“
„In dem Zukunftsworkshop für queere Studierende haben wir zum Beispiel darüber gesprochen wie Queerfeindlichkeit auf dem Arbeitsplatz und belastet und dass Selbstständigkeit auch in diesem Aspekt eine Möglichkeit bietet den eigenen Arbeitsplatz sicherer zu gestalten.“
„Existenzgründung in der Sozialen Arbeit bietet eine Chance sowohl die Arbeitsbedingungen von Sozialarbeiter*innen zu verbessern und an individuelle Bedürfnisse anzupassen, als auch die Arbeit selbst nach den eigenen Werten zu gestalten, also z.B. nach kritischen Ansätzen zu arbeiten und in gar nicht oder kaum ergründete Arbeitsfelder zu gehen. Sowohl Arbeitsbedingungen als auch Inhalt der Sozialen Arbeit haben eine hohe gesellschaftliche Relevanz.“
„Was bedeutet all das jetzt für mich? Nach meinem Soziale Arbeit Bachelor werde ich richtig ins Berufsleben starten. Entweder ich bewerbe mich auf eine Stellenausschreibung oder ich gründe.“
„Existenzgründung in der Sozialen Arbeit ermöglicht das Erschließen neuer Arbeitsfelder und dadurch die Bearbeitung von Sozialen Problemen, die ansonsten nicht sozialarbeiterisch angegangen werden. Das war von allen drei Teilnehmer*innen der Paneldiskussion, bzw. den Unternehmen, die sie vertreten, die Hauptmotivation. Sie bearbeiten die Probleme: Barrieren in der Existenzgründung für Menschen mit Schwerbehinderung (Enterability), Versorgungslücke von Migrant*innen in Deutschland in der Pflege (Data-Med) und Barrieren für Schwarze Jugendliche in Naturräumen und fehlende Empowerment-Räume (EMPOCA). Besonders spezifische Angebote, für die es spezifisches Wissen braucht werden von den großen Trägern oft nicht angegangen. Menschen, die aufgrund ihrer persönlichen Erfahrungen und/oder Spezialisierung in der Ausbildung dieses Wissen haben, können durch eine Existenzgründung sehr spezifisch passende Angebote entwickeln. Besonders aus diesem Blickwinkel ist die Förderung von Existenzgründungen, wie sie z.B. Durch ASHEXIST und EXIST-Women passierte, auf gesellschaftlicher Ebene hoch relevant.“
„Am Beispiel von Nare Yesilyurt, welche das Unternehmen “Deta-Med” aufgrund prägender persönlicher Erfahrungen gegründet hat, werden relevante Themen der Sozialen Arbeit deutlich. Nare verfolgt zwei Ideen in ihrem Unternehmen, um Migrant*innen in das deutsche Gesundheitssystem zu integrieren. Mit einer kulturspezifischen Pflege bietet Deta-Med pflegenden Familienmitgliedern Unterstützung und Entlastung an, um die Versorgungslücke der Migrant*innen in der ambulanten Pflege zu schließen. Zudem setzt Nare sich für Integration- und Ausbildungsmöglichkeiten für Frauen ein. In der Sozialen Arbeit ist der Empowerment- Ansatz sehr zentral und diesen bedient sie durch gezielte Unterstützungsangebote, welche zu einem selbstbestimmten Leben befähigen können.“
„Ein weiteres Beispiel ist die Initiative “EMPOCA” von Anthony Owosekun. Die Idee hinter EMPOCA ist es, Schwarze junge Menschen mit der Natur zu verbinden und sie für den Klimaschutz zu begeistern. Die Relevanz für die Soziale Arbeit zeigt sich insofern, dass sich auch hier an dem Empowerment-Ansatz bedient wird und marginalisierte Gruppen, insbesondere schwarze Kinder und Jugendliche, durch die Verbundenheit mit der Umwelt in ihrer Persönlichkeit gestärkt werden und ihre soziale Integration unterstützt wird.“
„Manfred Radermacher hilft mit dem Integrationsfachdienst Selbstständigkeit “Enterability” Menschen mit Schwerbehinderung sich Selbstständig zu machen und unterstützt Menschen mit Schwerbehinderung, die bereits Selbstständig sind, nachhaltig am Markt zu bestehen.“
„Anthony adressiert die fehlende Repräsentation von Schwarzen Menschen in Naturräumen und schafft Zugang zu diesem Bereich, welchen Ungleichheiten abbauen und die Gleichberechtigung fördern soll. Außerdem trägt die Initiative dazu bei, dass Schwarze Menschen als Akteure im Klimaschutz wahrgenommen werden. Zudem zeigt Anthony auf, wie wichtig es ist, Arbeits- und Bildungsräume rassismuskritisch zu gestalten, um Diversität und gesellschaftlichen Zusammenhalt zu fördern.
Am Beispiel von Manfred wird deutlich, wie das Projekt gesellschaftlich zur Sensibilisierung und zum Abbau von Vorurteilen beiträgt und die Sichtbarkeit von Menschen mit Behinderung in der Wirtschaft stärkt. Damit leistet Enterability einen wichtigen Beitrag zur sozialen Gerechtigkeit und Inklusion.“
„Zusammengefasst zeigen die Existenzgründungen der genannten Personen, wie unternehmerisches Handeln mit Zielen der Sozialen Arbeit verbunden werden kann. Ihre Arbeiten stehen exemplarisch dafür, wie durch Bildung, Integration und Empowerment sowohl Einzelne als auch die Gesellschaft profitieren können. Für die Gesellschaft und für die Soziale Arbeit tragen diese Arbeiten zur Sensibilisierung und zum Abbau von diskriminierenden Strukturen bei und fördern die soziale Integration und Chancengleichheit.“
„Wie wir am 30. Oktober, bei der Abschlussveranstaltung von ASHEXIST, gut am Beispiel der anwesenden Gründer*innen feststellen konnten, gibt es zahlreiche Lücken im Fürsorgesystem, die von staatlicher Seite und den großen Trägern nicht abgedeckt werden. Durch Existenzgründungen entstehen neue Möglichkeiten für eine nachhaltige Lösung sozialer Herausforderungen über die Strategien der traditionellen Träger hinaus. Das Angebot der sozialen Branche erweitert sich dadurch, wird diverser und inklusiver, speziell auch für Menschen, die systematisch von Diskriminierung betroffen sind.“
„Die gesellschaftliche Relevanz von Existenzgründungen durch marginalisierte Gruppen geht jedoch noch weit über die individuelle wirtschaftliche Unabhängigkeit hinaus. Solche Gründungen tragen maßgeblich zur Entstehung neuer Empowerment Strukturen bei, die nicht nur wirtschaftliche, sondern auch soziale Barrieren abbauen. Wenn FLINTA* Personen und andere, auf dem Arbeitsmarkt benachteiligte Personen eigene Unternehmen gründen, schaffen sie sichere Arbeits- und Begegnungsräume, in denen Diskriminierung keinen Platz hat. Das fördert nicht nur die persönliche Entfaltung der Gründer*innen selbst, sondern bietet auch anderen Menschen in ähnlichen Lebenslagen neue Perspektiven und Chancen.“
„Langfristig kann die Förderung von Existenzgründungen durch FLINTA* Personen auch strukturelle Veränderungen in der Gesellschaft bewirken. Wenn immer mehr divers geführte Unternehmen wirtschaftliche Erfolge verzeichnen, steigt auch der Druck auf etablierte Institutionen, sich ebenfalls für mehr Gleichberechtigung und Inklusion zu öffnen. Zudem entstehen durch diese Unternehmen neue Strukturen auf dem Arbeitsmarkt, in denen nicht weiter Geschlecht, Herkunft oder Identität über Chancen entscheiden, sondern noch mehr der Fokus auf Fähigkeiten, Ideen und den Willen zur Veränderung gelenkt wird.
Ein zentraler Lösungsansatz zur Förderung dieser Entwicklungen ist der gezielte Ausbau von Unterstützungsstrukturen. Spezifische Förderprogramme, niedrigschwellige Finanzierungsmodelle und Mentoring Netzwerke für marginalisierte GründerInnen können helfen, strukturelle Nachteile auszugleichen und die Erfolgsquote von FLINTA* geführten Unternehmen zu steigern. Auch Bildung spielt eine wichtige Rolle: Durch die Integration von Themen wie soziale Innovation, inklusives Unternehmertum und nachhaltige Wirtschaftsformen in schulische und universitäre Curricula können junge Menschen frühzeitig für alternative Karrierewege sensibilisiert werden.“
„Oft bilden sich diese Existenzgründungen aus einer gemeinschaftlichen Idee, die aus einem zivilgesellschaftlichen Engagement oder der Sozialen Arbeit heraus entsteht. Dabei bieten die SSÖs [Soziale und Solidarische Ökonomien] eine passende Möglichkeit, diese Ideen in Strukturen umzuwandeln und zu organisieren. Es kann unabhängig von staatlichen Strukturen ein eigenes Angebot geschaffen werden, das den Existenzgründer*innen die Freiheit gibt, ihre Ziele ohne Vorgaben von außen umzusetzen. Diese Impulsivität und Freiheit der SSÖs bieten eine schnelle und kreative Reaktion auf fehlende Lösungsansätze in Bezug auf soziale und ökologische Probleme. Somit leisten die SSÖs einen Beitrag zur Diversifizierung von Angeboten, indem neue Dienstleistungen oder Produkte die bestehenden Lücken füllen können.“
„Ein weiterer interessanter Bestandteil der SSÖs ist, dass sie sich auch aus konkreten Bedürfnissen von Betroffenen sozialer Benachteiligung bilden, was wiederum auch ein spannender Ansatz für die Soziale Arbeit darstellt. Es kann ein Angebot entstehen, das von Betroffenen für Betroffene geleistet wird, wodurch eine Umsetzung der Lebensweltorientierung, einer Theorie aus der Sozialen Arbeit, ermöglicht wird. Diese Theorie stellt die Bedürfnisse der Klientinnen in den Vordergrund. Es gilt das Handlungsprinzip: Die Klient*innen sind Expert*innen für ihre eigene Lebenswelt. Außerdem kommt es zu einem Empowerment durch den gemeinschaftlichen Zusammenschluss, um die sozialen bzw. ökologischen Herausforderungen als Gruppe oder Bewegung anzugehen. Es entstehen neue Handlungsmöglichkeiten, die die traditionellen Methoden und Herangehensweisen der Sozialen Arbeit erweitern.
Des Weiteren können SSÖs der Zivilgesellschaft die Möglichkeit geben, in vielfältiger Weise Handlungsfähigkeit zu erlangen. Oft wird es als schwierig empfunden, große soziale und ökologische Probleme anzugehen, wodurch oft ein Gefühl der Hilflosigkeit aufkommt. Durch die SSÖs kann man konkrete gesellschaftliche Probleme im Zusammenschluss mit anderen Menschen angehen und dabei oft Auswirkungen des eigenen Handelns spüren. Dieses gemeinschaftliche Handeln stärkt die Zivilgesellschaft, wodurch die Soziale Arbeit Ressourcen und Netzwerke dazugewinnt. Außerdem können SSÖs demokratische Prozesse in Form von gesellschaftlicher Teilhabe stärken und attraktiver machen.“
„Ein weiterer Vorteil der SSÖs ist, dass sie teilweise unabhängig von Fördergeldern sind, da sie eigene Einnahmen generieren und dadurch in einigen Fällen eine Eigenfinanzierung möglich ist. Dadurch ist es einfacher, eine Unabhängigkeit von Vorgaben der Geldgeber oder des Staates zu erlangen und autonome Entscheidungen zu treffen.“