...und dann kam Corona Heiter Scheitern

Prof. Dr. Dagmar Bergs-Winkels über Lehre in Corona Zeiten

Bergs-Winkels an ihrem Schreibtisch vor einem Laptop, im Hintergrund ein Bücherregal
Dagmar Bergs-Winkels im Home Office ASH Berlin

Wie verlief die Umstellung zu den Online-Seminaren und was hat dabei geholfen?

Bergs-Winkels: Dadurch, dass der Semesterbeginn verschoben wurde, hatte ich ja etwas mehr Zeit die Lehrplanung vorzunehmen. Das war auch dringend nötig. Zunächst habe ich an dem Seminar des Berliner Hochschulzentrums „Online Lehre wie geht das?“ teilgenommen. Das Seminar war sehr hilfreich, da ich als Zertifikatsaufgabe ein komplettes Seminar durchstrukturiert habe und dazu gute Rückmeldung und Anregungen bekam. Außerdem hat es meine Frustrationstoleranz mit der Technik erhöht.
Im Studiengang Erziehung und Bildung in der Kindheit (EBK) haben wir eine kleine Befragung zum Sommersemester bei unseren Studierenden gemacht. Das hat uns gute Infos zu technischer Ausstattung oder aber auch Begrenzung gegeben. Die Studierenden wollten unbedingt das das Semester läuft und das hat mich motiviert das auch zu ermöglichen.
Und der Moodle Kurs an der ASH Berlin zu Technik Fragen ist ein guter support! Die Bibliothek hat auch schnell reagiert, mehr E-Book Zugänge geschaffen und so bald es ging auch wieder geöffnet. Auch für persönliche Anfragen stand dort jemand zur Verfügung und mindestens meine Wünsche /Bedarfe wurden sofort erfüllt.
Wir haben eine wöchentliche Teamsitzung in der wir uns auch immer über die Studiensituation, Schwierigkeiten, Besonderheiten austauschen. Zum Beispiel war es für die Studierenden eine Zeit lang kaum möglich Praktika zu absolvieren.

Wie verläuft ein typisches Online-Seminar bei Ihnen?

Zunächst einmal habe ich alle Studierenden zum 1. April mit einer E-Mail begrüßt und auf die bevorstehenden Herausforderungen aufmerksam gemacht. Dann gab es nochmal eine E-Mail zum Semesterstart und in der ersten Woche des Semesters eine erste Zoom Sitzung um die Seminarkonzeption zu besprechen und Kommunikationsformen zu klären.
Ich habe für mich, und das stand auch in der ersten Mail, das Semester unter das Motto „Heiter Scheitern“ gestellt. Ich habe alle Seminare so konzipiert, dass sie komplett asynchron studiert werden können. Das war zu Beginn des Semesters sehr zeitintensiv.
Darüber hinaus biete ich in allen Seminaren Zoom Inputs an, die Häufigkeit richtet sich nach dem Wunsch der Studierendengruppe und schwankte zwischen 3 Zoom Sitzungen a 2-3- Stunden (nur in einem Seminar) und zu einer Zoom Einheit, 2-3-Stunden zur ganz normalen Seminarzeit, das ganze Semester über.
Und ich habe über das Zentrum für Innovation und Qualität im Studium (ASH IQ) das Seminar „Healthy Family“ gemeinsam mit Prof. Dr. Claudia Winkelmann in der Blockwoche angeboten, täglich in Präsenzphasen und Arbeitsgruppenphasen. Das war sehr intensiv im Teamteaching, hat aber auch sehr viel Spaß gemacht.
Darüber hinaus biete ich individuell vereinbarte Zoom Sitzungen und Telefonberatungen an und beantworte Mails so zeitnah wie es geht. Im Laufe des Semesters hat hier der Bedarf deutlich zugenommen und braucht viel Zeit.

Wie ist das Feedback bisher von den Studierenden bisher?

Bergs-Winkels: Bislang sind die Rückmeldungen sehr nett. Die Teilnahme an den Zoom Einheiten ist hoch, deutlich höhere Teilnahmequote als Präsenz. Ich habe den Eindruck, dass in den Seminaren in denen wir viele Zoom Inputs haben die Studierenden sich gut betreut fühlen. Die Studierenden des einzigen Seminars das sich wenig Präsenz gewünscht hat und lieber asynchron studieren wollte, hat deutlich Probleme sich selbst zu motivieren. Selbstverantwortliches und selbstorganisiertes Lernen bedarf bei einigen offenbar noch mehr Ansprache und Strukturierung als die anderen Seminarvarianten. Da wurden dann Wünsche nach Abgabefristen, zeitlicher Strukturierung der Inhalte etc. laut. Das werde ich im nächsten Semester so auch nicht mehr anbieten.

Das Highlight in meinem Forschungsmethoden Seminar ist, dass die Studentin Jennifer Carell die Initiative ergriffen hat, einen Fragebogen zur Studierendensituation im Online-Semester zu entwickeln und diesen online zu stellen. Nachdem er 14 Tage bis zum 26.6. über www.Soscisurvey.de online war, hat er 329 Rückläufe bei 465 Studierenden (laut Hochschulstatistik). Wir sind jetzt sehr auf die Ergebnisse gespannt. Das passte natürlich auch gut zu empirisch quantitativer Forschung, so können wir die Inhalte des Seminars am eigenen Instrument erproben. Das macht gerade sehr viel Spaß.

Spielt das Thema Corona-Pandemie in den Seminaren eine Rolle? 

Bergs-Winkels: Das Thema Corona spielt in allen meinen Seminaren eine Rolle. In den Seminaren die sich mit Forschungsmethoden befassen, passt das ja auch inhaltlich sehr gut. Wie ist der Umgang mit Daten und Wissenschaft in der Öffentlichkeit - wie kann man das einschätzen, ist hier die Leitfrage.
In allen Seminaren gibt es eine Variante des Leistungsnachweises, der sich auf die eigene Praxis bezieht oder Online-Angebote für Familien in den Blick nimmt, Elternbefragungen nutzt etc.
Das war mir in einer Zeit der Verunsicherung (ich war selbst 14 Tage in Quarantäne und gehöre zu einer Risikogruppe) ganz wichtig. Ich frage auch vor jedem Input, wie es den Studierenden geht, im privaten wie im beruflichen Leben in dieser Zeit. Das wird glaube ich auch gut aufgenommen.

 

Haben die Studierenden, die berufsintegriert studieren, über ihre Arbeit während der Pandemie berichtet?

Ja, da gab es die ganze Palette von Home Office bis Durcharbeiten in der Notbetreuung. Gerade diese Gruppe führe ich im kommenden Semester in der Betreuung der Bachelor Arbeiten im Colloquium weiter und sie haben sich gewünscht weiter online zu gehen weil sie sich gut betreut fühlen. Scheint also ganz gut zu klappen. ;-)

Was könnte in der Online-Lehre insgesamt noch verbessert werden?

Eine Menge glaube ich. Aber das ist ja auch interessant an diesem Semester, wir sehen jetzt wo es mit der viel gepriesenen Digitalisierung noch im Argen liegt. Daraus könnten wir viel Lernen und ich hoffe, dass wir die Lehre auch nochmal reflektieren und einige Konzepte später in Blended Learning Formate eingehen.
Zunächst einmal ist hier die technische Ausstattung zu nennen. Sowohl auf Studierendseite als auch bei uns Dozent_innen. Wir hatten das ganze Semester keinen Zugriff auf den Hochschulserver, d.h. auch nicht auf Programme wie SPSS und MAX QDA, die eigentlich zu einem wissenschaftlichen Grundstandard gehören und über einen VPN Zugang schnell zu lösen wäre.
Einige Studierende verfügen zum Teil nur über eine schlechte technische Ausstattung, kein stabiles Wlan etc. Der Verbrauch an Druckkosten und Druckerpatronen steigt auch ganz schön und die Studierenden können ihre Druckkostenposten an der ASH Berlin nicht nutzen. Filmequipment fehlt den meisten Dozenten, im Wintersemester würde ich da gerne ein paar Sachen ausprobieren. Und auch ein anständiger Scanner fehlt. Da gibt es also großen Investitionsbedarf.
Auch die geringe Anzahl an ZOOM Lizenzen hat für viel Organisation gesorgt. Ich zum Beispiel teile mir diese Lizenz mit 5 Lehrbeauftragten, die teilweise zur gleichen Zeit (BI) unterrichten. Das hat nur geklappt weil der Austausch in unserem EBK Team gut funktioniert und wir individuelle Lösungen finden.
Zum Anderen die didaktische Gestaltung von Online Lehre und /oder Blended Learning Konzepten. Da gibt es sicher noch viele Anregungen die man sich holen kann. Ich schaue mal wie mein digitales Ich sich entwickelt. Es ist jedenfalls sehr aufwendig, was sich über die Abrechnungsmöglichkeit der Lehre nicht spiegelt.
Insgesamt fand ich es eine spannende Erfahrung und habe in diesem Semester viel gelernt.

 

Prof. Dr. Dagmar Bergs-Winkels lehrt im Studiengang Erziehung und Bildung in der Kindheit.