Hochschulleben, Menschen Goodbye EmpA!

Sieben Jahre EmpA: Ein Moment der Dankbarkeit, aber nein, es ist noch lange nicht alles erledigt oder erreicht.

 

Sieben Jahre EmpA: Ein Moment der Dankbarkeit, aber auch eine Gelegenheit, kritisch auf die strukturellen Herausforderungen und die damit verbundenen Frustrationen zu blicken – und einen Ausblick auf die zukünftige antirassistische Arbeit an der ASH Berlin zu werfen. Denn nein, es ist noch lange nicht alles erledigt oder erreicht.

Es ist vorbei. Sieben Jahre (von 2018 bis 2024) gab es EmpA - ein Projekt für Empowerment und Antirassismus. Die ASH Berlin heißt alle Studierenden gleichermaßen willkommen, und dennoch fühlen sich einige mehr und andere weniger damit gemeint. EmpA wollte die ASH Berlin ein bisschen mehr zu einem Ort für alle Studierenden machen, so dass sich insbesondere auch Studierende mit Rassismuserfahrung mit ihren Lebensrealitäten und Erfahrungen willkommener und angesprochen fühlen.

EmpA hat in den letzten Jahren für BIPoC-Studierende an der ASH Berlin einen essentiellen Raum geschaffen. Es ermöglichte als Anlaufstelle Austausch, Stärkung, Vernetzung, Unterstützung und politisches Engagement in einer akademischen Umgebung, die von Hierarchien und struktureller Ungleichheit geprägt ist. In diesem Artikel reflektieren wir über die Erfahrungen mit EmpA, beleuchten die Herausforderungen, vor denen wir standen, und fragen uns, was eine ASH Berlin ohne EmpA bedeutet.
Ein zentraler Teil waren die emotionale(n) Arbeit bzw. Kosten. Daher möchten wir mit einem für uns zentralen Gefühl zum Ende unserer Teamarbeit beginnen:

Gratitude - Dankbarkeit
 

Wir sind dankbar. Für die Wärme, Liebe und Unterstützung und das gemeinsame Wachsen an Herausforderungen, die wir zusammen in unserem Team gelebt haben. Die Möglichkeit, in einem BIPoC Team zusammenarbeiten zu können, war eine stärkende und wohltuende Oase in einer doch mehrheitlich weißen und hierarchischen Institution. Durch unsere unterschiedlichen Positionierungen und Erfahrungsexpertisen haben wir viel miteinander und voneinander gelernt und versucht, den Empowermentansatz auch innerhalb des Teams umzusetzen -  manchmal mehr und manchmal weniger erfolgreich. Es war uns wichtig, dass es uns gut geht bei der Arbeit oder wenn nicht, dies offen geteilt werden konnte. Es war Platz und viel Empathie für die Spuren, die ein rassistisch-kapitalistisches, sexistisches und ableistisches System in unseren Körpern und Herzen hinterlassen hat. Ob chronische Krankheiten, Neurodivergenz oder Care-Aufgaben, wir sind wertschätzend und verständnisvoll damit umgegangen und wenn wir dies mal nicht gut geschafft haben, haben wir daraus gelernt. Ohne dass wir es so benannt haben, war unser Wellbeing ein zentraler Bestandteil unserer Arbeit, wissend, dass wir und unsere Communities überproportional gesundheitlichen und psychischen Belastungen ausgesetzt sind. Denn Machtverhältnisse schreiben sich in unsere Körper ein und eine Arbeit zu Rassismus hinterlässt Spuren. Daher haben wir uns im Team Zeit genommen, im Gespräch zu sein, allen Perspektiven und Ideen Raum zu geben, Konflikte zu bearbeiten und versucht, einen Mikrokosmos der Augenhöhe zu schaffen. Auch dies ist mal besser und mal weniger gut gelungen. Doch wir haben nie aufgehört, danach zu streben und auch dafür sind wir dankbar.Wir haben uns mit Freude gegenseitig ergänzt und gestärkt und so eine gemeinsame Resilienz gegenüber dem Widerstand gegen Veränderung geschaffen. Wir sind überzeugt davon, dass dieser Ansatz, wie wir als Team zusammenarbeiten wollten, maßgeblich die Empowermentarbeit, die wir mit Studierenden gemacht haben, geprägt hat. Für uns war klar, dass die Arbeit für alle Beteiligten empowernd sein sollte. Die Art und Weise, wie wir Dinge tun, kann nicht getrennt von der inhaltlichen Arbeit gedacht werden. Wir haben ausgehend von den Bedarfen der Studierenden und der Erfahrungsexpertise, die im Team vorhanden war, Empowermenträume angeboten, in denen wir auf Augenhöhe miteinander in Verbindung waren.

Im Laufe der Jahre gab es Schreibwerkstätten, Lesezirkel zu All about Love, wir sind eingetaucht in Transformative Justice und Afrofuturismus, haben Filme geschaut, gemeinsam getanzt oder getrauert, den Studienstart erleichtert und Räume geboten Freundschaften zu knüpfen und sich zu vernetzen. Vor allem haben wir dem Schmerz, der Wut, der Enttäuschung und Frustration zugehört und Raum gegeben. Für das Vertrauen, die Impulse, persönliche Einblicke in diskriminierende Hochschulstrukturen und die vielen berührenden, liebevollen und wertschätzenden Begegnungen sind wir dankbar.

Auch die Prof*innen, Mitarbeiter*innen und vor allem das Team des Arbeitsbereichs für intersektionale Praxis und Transformation, die auf unterschiedliche Weise versuchen die ASH Berlin machtkritisch weiterzuentwickeln, waren ein unersetzlicher Rückenstärker. Für die Unterstützung unserer Anliegen, die Wertschätzung, die Anerkennung des emotional labours, den diese Arbeit bedeutet und dem gemeinsamen Wunsch und damit verbundenen Anstrengungen, diese Hochschule nachhaltig gemeinsam zu verändern, sind wir dankbar. Nicht zuletzt gilt unser Dank dem ersten EmpA Team, welches die ersten Samen für diese Arbeit gesät hat und dessen zarten Sprosse wir ernten und weiter wachsen lassen durften.

Knoten - Herausforderungen

Diesen EmpA-Baum oder im Idealfall EmpA-Wald wachsen zu lassen, war nicht einfach. Menschen mit intersektionalen Rassismuserfahrungen erleiden im Studium eine überproportionale Belastung. Sich davon in Empowermenträumen zu erholen oder Strategien, um einen Umgang damit zu finden, erfordert nochmal zusätzliche zeitliche und energetische Ressourcen und gleicht die Benachteiligung keineswegs aus. Daher wäre es beispielsweise im Sinne einer positiven Maßnahme sinnvoll gewesen, die Zeit und das Engagement von rassismuserfahrenen Studierenden in Empowermenträumen in den Studienverlauf zu integrieren bzw. als Studienleistung anzuerkennen.

Auch im Team stellte sich die strukturelle Frage: Wie können wir Hierarchien aufbrechen, die sich in Entlohnung, Status, Verantwortlichkeiten und Organisationsstrukturen manifestieren? Die ständige Herausforderung bestand darin, innerhalb dieser Strukturen flache Hierarchien zu schaffen und eine gleichberechtigte Zusammenarbeit zu ermöglichen. Ein Spannungsverhältnis, welches EmpA grundsätzlich begleitete, war die Herausforderung, eingebettet in die Institution Hochschule zu versuchen entgegen dessen Logik zu wirken.

Brick Wall - Frustrationen

Einige von euch kennen sicherlich das Buch von Sara Ahmed On Being Included. Hier beschreibt sie die Arbeit von Diversitybeauftragten als “banging your head against a brick wall”. Das Selbstverständnis der ASH Berlin als chancengerechte Hochschule und auch die Entscheidung das Machtverhältnis, um das es geht (Rassismus) in der Bezeichnung der Referent*innenstelle zu benennen, deutet auf eine durchlässige oder gar die Abwesenheit einer solcher Mauer hin. Doch trotz der diskriminierungssensiblen Leitbilder, einer fundierten Antidiskriminierungssatzung, der innovativen Einrichtung einer Antidiskriminierungsbeauftragten Person, überproportional viele machtkritische Lehrende und Studierende, dem Ermöglichen von Empowermenträumen für rassismuserfahrene Studierende existiert diese Mauer dennoch.
Sie manifestiert sich manchmal nur etwas subtiler und dennoch gewaltvoll: “Verwechslung” rassistischer Situationen mit Missverständnissen; Dialog als Strategie priorisieren um Machtverhältnisse zu verschieben, statt mehr strukturelle Regelungen und Entscheidungsbefugnisse zu verändern bzw. Ressourcen umzuverteilen; Haushaltsentscheidungen/-prioritäten; Besetzung von Professuren; Beharren auf diskriminierenden Regelungen und Praktiken, Redeverhalten in Gremien usw. Und immer wieder der Wunsch, das Vorgehen gegen Rassismus so bequem und angenehm wie möglich für die weiße Mehrheit an der Hochschule zu gestalten.
Veränderung darf nicht wehtun: Eine Lehrveranstaltung ausschließlich für BIPoC ist zu ausschließend, eine machtkritische Personalentwicklung ist zu anstrengend für den Verwaltungsapparat, eine Lesung mit einer Autor*in ist wegen ihrer Meinung nicht zumutbar usw. Was bedeutet in diesem Zusammenhang die Aufforderung: Wir müssen alle mitnehmen? Wer ist dieses “wir”, wer ist “alle” und wessen Bedürfnisse haben Priorität? Was heißt die Aufforderung nach Geduld in Bezug auf Veränderungsprozesse und wessen Geduld wird angerufen? Sind 500 Jahre kolonialistische Rassifizierung mit all seinen gewaltvollen Konsequenzen auf unterschiedlichsten Ebenen (Körper, Gesundheit, Zugang zu ökonomischen und ideellen Ressourcen etc.) nicht Geduld genug?

Die Konzeption des Projektes ist aus weißer Perspektive erfolgt und sollte nie das System an sich in Frage stellen, auch nicht dessen Verwobenheit und Kompliz*innenschaft mit diskriminierenden Machtverhältnissen. Erneut wird Rassismus bequem zum Problem der Betroffenen gemacht, während die weiß positionierte Mehrheit sich nicht damit auseinandersetzen muss. EmpA hört zu, wenn Rassismus ausgeübt wird, aber wirklich Veränderungen werden dadurch nicht angestoßen, sondern nur versucht aufzufangen. "Unangenehme Fragen” werden oft mit dem Hinweis, wie viel Bemühungen und Energie schon in die Rassismusbekämpfung fließen, begegnet. Darin schwingt die Empörung über mangelnde Dankbarkeit einher. Eine rassismusbetroffene Person hat eine gutbezahlte Stelle, um andere rassismusbetroffenen Menschen zu unterstützen und sollte einfach dankbar sein!

Dankbarkeitserwartungen in diesem Kontext fühlen sich anmaßend an. Wir haben das Recht, dass sich die weiße Mehrheitsgesellschaft um ihr Rassismusproblem kümmert, wir haben das Recht darauf, für unsere professionelle und Erfahrungsexpertise bezahlt zu werden und zwar gut. Und das auch oder gerade bei zunehmenden autoritären rechten Tendenzen in Staat und Gesellschaft.

Die emotionale Care-Arbeit für und innerhalb einer vorherrschend weißen Institution ist ziemlich kräftezehrend. Gleichzeitig erkennen wir gerne aktive Entscheidungen an, z.B. Raum und Ressourcen für diese Arbeit einzuräumen bzw. Prozesse zu ermöglichen und anzustoßen. Doch müssen sich Menschen immer wieder dafür entscheiden, aktiv etwas gegen Rassismus zu tun. Einmal eine Stelle einzurichten oder Prozesse zu genehmigen und die Verantwortung dahin abzugeben reicht und funktioniert vor allem nicht.

Struktureller ist zu fragen, wie solche Stellen in einer Institution wie Hochschule funktionieren. Immer wieder gab es Situationen, in welchen EmpA als Vermittlungsstelle zwischen BIPoC Studierenden/Referat und der Hochschulleitung fungieren sollte, statt als parteiisches Sprachrohr für von Rassismus betroffene Studierende. In diesen herausfordernden Momenten, haben wir versucht, so gut wie möglich unseren Fokus auf Empowerment der Studierenden und uns als Team zu bewahren. Und immer wieder drängte sich der Verdacht auf, dass diese Stelle die Funktion hatte die Wut, die Verletzungen und Frustrationen abzupuffern, damit das System unhinterfragt weiter funktionieren kann, anstatt dessen Ursachen anzugehen. Wie mit der Herausforderung umgehen, dass BIPoC Perspektiven angehört werden, aber es kein wirkliches Zuhören gibt? Was passiert mit Anliegen, die unangenehm für die weiße Mehrheit der Hochschulangehörigen und vor allem hier der Prof*innen sind? Wie weit können/dürfen wir in den bestehenden Strukturen gehen?

Visionen für Veränderung

Wie in vielen Veränderungsprozessen gibt es eine unterschwellige Dichotomie zwischen pragmatischen kurzfristigen Erfolgen und langfristigen (revolutionären/ systemhinterfragenden) Visionen. EmpA hat sich in dem Spagat geübt beides zu vereinen und ist daran oft gescheitert und möchte dennoch dafür plädieren, dass Veränderungen ohne eine Vision nicht zielführend sind. Wir sind versucht, uns täglich an den rassistischen, heteronormativen, klassistischen und ableistischen Machtverhältnissen abzuarbeiten, zu reagieren, Schlimmeres zu verhindern oder zumindest zu verringern. Dies verhindert effektiv bzw. bremst das Aufbauen wirklicher Alternativen aus.

Wie wäre es, wenn wir stattdessen mehr Energie darauf verwenden, Räume zu schaffen, in denen wir uns darin üben, Visionen zu entwickeln und unsere Muskel der Imagination zu trainieren? - Jenseits von den bestehenden Macht und- Gewaltverhältnissen. Dies bedeutet keine Abkehr von der kritischen Analyse und Auseinandersetzung mit letzteren, aber es ist eine Herangehensweise, die hinterfragt, dass wir die Lösungen auf die bestehenden Probleme innerhalb des Systems, welche diese reproduziert, finden können.

Langfristig wäre zu wünschen, dass Projekte und Stellen wie EmpA oder Antidiskriminerungsbeauftragte Personen überflüssig sind. Hochschulen wären Orte, an denen unterschiedliche Wissensformen gleichberechtigt mit westlichen Perspektiven Platz haben. Es wären Orte, an denen alle einfach sein können, gewertschätzt werden und unhinterfragt zur Hochschulgemeinschaft dazugehören und in einem respektvollen zugewandten Miteinander von- und miteinander lernen.

Dieser Zeitpunkt ist jedoch noch lange nicht erreicht - im Gegenteil - daher kann das Ende von EmpA keinesfalls derart eingeordnet werden. Ohne EmpA fallen wichtige Begegnungsorte und -räume, Anlaufstellen, Vernetzungsmöglichkeiten für BiPoC Studierende weg. Die Leuchtturmfunktion eines deutschlandweit lange einzigartigen empowernden Projekts für Studierende mit Rassismuserfahrung erlischt. Neben dem Wegfallen der Räume bedeutet es vor allem, dass es eine kritisch fragende Stimme weniger gibt, und die Last, die Hochschule rassismuskritisch zu verändern, auf noch weniger Schultern verteilt wird. Gleichzeitig passt es zum aktuellen Mainstreaming rechter Positionen und der darin enthaltene Vorwurf, dass Rassismuskritik und von Rassismus betroffene Menschen zu viel Raum (bekommen) haben und der immer weiter fortschreitenden autoritären Einschränkung von bestimmten Meinungen und Positionen.

Es ist ein bedauerlicher und gefährlicher Trend. Unter dem Vorwand knapper Haushaltsmittel kürzen der Senat und die Bundesregierung kontinuierlich bei zentralen Bereichen für den gesellschaftlichen Zusammenhalt, wie Bildung, Kultur, Antidiskriminierungsarbeit, Klimainvestitionen etc. Dies folgt dem neoliberalen Prinzip der Knappheit bzw. Verknappung. In einem der reichsten Länder der Welt wird gespart und natürlich nicht in Richtung Gerechtigkeit und Wohlergehen der Bevölkerung umverteilt. Stattdessen umfasst der Militärhaushalt in Deutschland derzeit soviel wie der Etat von Gesundheit, Bildung, Familie, Wirtschaft- und Klimaschutz, Bauwesen und Auswärtiges Amt zusammen! Haushaltsentscheidungen sind, auch wenn oft gegenteilig argumentiert wird, politisch motivierte Priorisierungen. Die Logik der Knappheit wird von staatlicher Seite aufgrund vermeintlicher Sachzwänge an Bildungsinstitutionen weitergegeben, um den politischen Gehalt von Entscheidungen zu verschleiern. Wie können wir dieser kapitalistischen Logik der Verknappung von Ressourcen etwas entgegenhalten?

Adrienne Maree Brown lädt uns ein, unseren Blick auf den eigentlichen Überfluss von Ressourcen zu lenken und wie diese (gegenüber Menschen und auch dem Planeten) verantwortungsvoll und gerecht genutzt werden können. Eine solche Herangehensweise würde sicherlich auch Haushaltsplanungen langfristig transformieren -   wenn wir mit Mut und Kreativität versuchen, die Grenzen des machterhaltenden Systems immer weiter herauszufordern und zu überschreiten. Aus dekolonisierender Perspektive gedacht: es sollte nicht darum gehen ein größeres Stück vom Kuchen abzubekommen, sondern den Kuchen in seiner Form, Größe und Geschmack grundsätzlich in Frage zu stellen und gemeinsam einen neuen oder viele neue zu backen.

Text: Dr. Aki Krishnamurthy

Das EmpA Team bestand seit 2020 aus Dr. Aki Krishnamurthy (Projektleitung) und in unterschiedlicher Besetzung aus einem dreiköpfigen Studierendenteam (Wefa Bodaghi, Veronica Arias, Jenifa Simon, Duc Vu Manh, Ergün Kayabaş).

Referenzen:
Sarah Ahmed (2012): On Being Included Racism and Diversity in Institutional Life. Duke University Press

Adrienne Maree Brown (2017): Emergent Strategies. AK Press.