Das auch von der Rosa-Luxemburg-, Hans-Böckler- und Heinrich-Böll-Stiftung unterstützte Symposium wurde hauptsächlich durch die Student_innen des Kultur, Ästhetik, Medienseminars („Theory and Practice of Video Activism and Citizen Journalism and the Struggle for Communication Rights“, Dozentin: Andrea Plöger) und von Prof. Dr. Ulrike Hemberger (ASH Berlin) und Dr. Chrisitan Schröder von der Universität Luxemburg geplant und durchgeführt.
Am ersten Tag ging es vor allem um eine Bestandsaufnahme der Einschränkung von Pressefreiheit, Meinungsfreiheit und Kommunikationsrechten. Erika Campelo vom, Weltforum der Freien Mediendas seinen Ursprung im brasilianischen Weltsozialforumsprozess hat, erklärte die Bedeutung von Kommunikationsrechten als grundsätzliche Menschenrechte. Es folgte ein Beitrag von Anne Renzenbrink von Reporter ohne GrenzenBerlin, die von einer weltweiten Entwicklung hin zu einer verstärkten Repression von Journalist_innen berichtete und dann auf die aktuelle Situation in der Türkei fokussierte. Auch der Vorsitzende von Reporter ohne Grenzen Türkei wurde inhaftiert und wartet noch auf seinen Prozess. Eren Caylan, Journalist für verschiedene türkische und deutsche Medien sprach über die schleichende Selbstzensur, die der nun offen zutage tretenden Repression in der Türkei voraus gegangen sei. Muzaffer Kaya, Wissenschaftler im Exil, Mitbegründer von Academics for Peace und Lehrbeauftragter an der Alice Salomon Hochschule Berlin, sprach über die Verfolgung von kritischen Wissenschaftler_innen und ihre massenhafte Entlassung in der Türkei, die aktuell das Ende einer kritischen Forschung und Wissenschaft an vielen Universitäten bedeutet. Das Podium wurde von Fehmi Katar, ehemaliger Student der ASH Berlin und Journalist, moderiert.
Chancen und Fallen des Internets
Anschließend fanden drei Workshops statt: einer mit Erika Campelo zum Weltforum der Freien Medien und ein zweiter vermittelte zum Thema Ad-Busting praktisches Know-how „für intellektuelle Selbstverteidigung“ und „gegen visuelle Fremdbestimmung“. Im Audimax diskutierte zeitgleich Prof. Dr. Ulrike Hemberger mit dem Sozialarbeiter und Journalisten Ercan Yasaroglu, dem Theaterpädagogen Ramzan Aksoy, sowie weiteren Sozialarbeiter_innen aus Schöneberg und Kreuzberg über Erfahrungen und Einschätzungen im Alltag der Sozialen Arbeit. Es ging um die Auswirkungen der Repression in der Türkei hier in Berlin, um zu kritisierende Reaktionen und Einflüsse deutscher Politik und Presseöffentlichkeit, wie auch um Chancen und Fallen des Internets und Möglichkeiten der Vernetzung von Sozialerbeitenden, Journalist_innen und künstlerisch politischen Aktivist_innen.
Handlungsoptionen in der Türkei, in Deutschland und international
Am zweiten Tag leitete Pinar İlkkaracan, Feministin, Politikwissenschaftlerin und Therapeutin, das Podium mit einem Fokus auf die Frage nach Handlungsoptionen in der derzeitigen Situation in der Türkei, in Deutschland und international. Ebru Taşdemir, Redakteurin der zu Anfang dieses Jahres gegründeten Online-Zeitung taz.gazete, berichtete über die Arbeit des zweisprachigen Nachrichtenportals und die Kampagne für die Freilassung ihres in der Türkei inhaftierten Kollegen Deniz Yücel. Johanna Bröse, Sozialwissenschaftlerin und Journalistin, berichtete von ihrer Kooperation mit kurdischen Journalist_innen und formulierte Forderungen an Vertreter_innen von Politik und Medien in Deutschland. Sie sprach auch in dem Wissen, dass die mit ihr bekannten Journalist_innen der Frauennachrichtenagentur Şûjin kein Visum für die Teilnahme an dem Symposium erhalten hatten, obwohl gerade sie starker Repression ausgesetzt sind.
Hrant Kasparyan, Mitgelied im Menschenrechtsverein İnsan Hakları Derneği (IHD) hat für unterschiedliche Regierungs-kritische Zeitungen, wie die armenisch-türkische Zeitung AGOS und die mittlerweile verbotene prokurdische Zeitung Özgür Gündem, und die ebenfalls geschlossene liberale Zeitung Taraf gearbeitet. Er berichtete über zunehmende Repression gegen Journalist_innen und die Bedeutung der Internationalen Solidarität mit allen verhafteten Journalist_innen und nicht nur einigen wenigen Prominenten.
Eine Vertreterin des Citizen Journalism Mediums dokuz8haber, das im Zuge der Gezi-Park Proteste entstanden ist und sich vor allem über die Sozialen Medien verbreitet, berichtete von ihrer aktuellen Arbeit und gab anschließend zusammen mit Student_innen und Iver Ohm vom Hidden Institute die Gelegenheit, mehr über die Arbeit dieses Mediums und seine Entstehungsgeschichte im Zusammenhang mit den Gezi-Park Protesten zu erfahren. Ein weiterer Workshop wurde von Mai Shutta, Menschenrechtsaktivistin aus dem Sudan/ Deutschland, Friedenstrainerin und Computeringenieurin, über Verschlüsselung und die Nutzung nicht-kommerzieller Software, angeboten.
Die spannenden Beiträge und Diskussionen, sowie die Vermittlung von Wissen und Know-How bedürfen einer Fortsetzung und Vertiefung – so die allgemeine Einschätzung – auch vor dem Hintergrund weiterer Verhaftungen von und Angriffe auf Journlist_innen in der Türkei.
Eine Dokumentation mit Videoausschnitten, Fotos und Artikeln findet sich auf dem Blog des Symposiums, der ebenfalls von den Student_innen des Seminars erstellt wurde. Eine das Symposium begleitende Fotoausstellung von zwei Student_innen wird wieder zu Beginn des Wintersemesters im ersten Stock der ASH Berlin zu sehen sein.