Als 1998 mitten im Transformationsprozess der Nachwendezeit die ASH Berlin von ihrem damaligen Standort in Schöneberg nach Hellersdorf umzog, nahmen viele Angehörige der Hochschule diese Entscheidung des Berliner Senats eher murrend als begeistert auf. Daran änderte auch die drei Jahre vor dem Umzug vorgenommene Umbenennung des Platzes in Alice-Salomon-Platz wenig. Erst mit der Erfahrung vor Ort fanden ein allmähliches Ankommen und ein Meinungsumschwung statt, den Susanne Hecht und Barbara Jung in dem Film „Hellersdorf ist nicht Sibirien“ (2008) dokumentierten.
Die Ansiedlung der Hochschule in Hellersdorf – seit der Bezirksreform 2001 Marzahn-Hellersdorf – war durch den politischen Willen der Senatsverwaltung begründet, auch in den Ostbezirken der Stadt Hochschulstandorte mit gesellschaftlicher Verantwortung und Wirkung auf die sozialräumliche Umgebung und Infrastruktur zu schaffen. Das Interesse einer integrierenden Stadtentwicklung ist aus heutiger Perspektive eine Saat, die nach und nach in Form von Projekten und Partnerschaften zwischen der ASH Berlin und dem Bezirk aufgegangen ist. Genannt seien beispielsweise die kontinuierliche und anlassbezogene Zusammenarbeit mit dem „Bündnis für Demokratie und Toleranz in Marzahn-Hellersdorf“, jährliche Kooperationsveranstaltungen mit der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten des Bezirksamts Marzahn-Hellersdorf anlässlich des Internationalen Aktionstages gegen Gewalt an Frauen*, das Kinderforscher*zentrum HELLEUM, die Spazierblicke und das Kooperationsforum, die KitaTransferTage, das Format „alice solidarisch“[1], das Projekt „ElfE – Eltern fragen Eltern“ und weitere Projekte der kommunalen Gesundheitsförderung, Forschungsprojekte zu sozialräumlicher Demokratieentwicklung, das Projekt Interfix Boulevard Kastanienallee[2] und das Theater der Erfahrungen neben vielen mehr.[3]
20 Jahre nach dem Umzug ist die ASH Berlin als lebendiger Ort von Bildung, Wissenschaft, Forschung, Lehre und Transfer ein bedeutender Teil der kommunalen Bildungslandschaft und aus dem Bezirk nicht mehr wegzudenken. Sie bietet Studiengänge im Bereich der Sozialen Arbeit, der Pflege und Gesundheit, der Therapieberufe Physio- und Ergotherapie und der Kindheitspädagogik an. Sie gestaltet das Leben in der Stadtgesellschaft entscheidend mit, prägt durch ihren kreativen Einsatz das gesellschaftliche Klima im Bezirk Marzahn-Hellersdorf und bezieht politisch Stellung zu Themen, die uns alle angehen.[4] Sie tut dies über die fachlichen Kompetenzen und Netzwerke sowie das große gesellschafts- und sozialpolitische Engagement ihrer Student_innen, Lehrenden und Mitarbeiter_innen. Dass dafür auch das konstruktive und vertrauensvolle Miteinander in den zahlreichen Kooperationen, Projekten und Campus-Gemeinwesen-Partnerschaften von zentraler Bedeutung ist, veranschaulichen die folgenden Statements von einigen Partner_innen der ASH Berlin, die wir gefragt haben, wie sie die Bedeutung und Rolle der Hochschule für den Bezirk (und darüber hinaus) einschätzen:
„Jede Kommune kann sich glücklich schätzen, eine Hochschule vor Ort zu haben. Wenn sich dann noch durch gegenseitiges Engagement eine verlässliche und an den Interessen beider Seiten orientierte Zusammenarbeit entwickelt, ist das ein Glücksfall. Zwischen der ASH und dem Bezirk Marzahn-Hellersdorf mit seinen vielfältigen Strukturen von kommunaler Verwaltung und Politik, freigemeinnützigen Anbietern sozialer und soziokultureller Arbeit bis zu Einrichtungen der Gesundheitswirtschaft hat sich über die Jahre solch eine Arbeit entwickelt. Exemplarisch lässt sich das z. B. an der Unterstützung aber auch kritischen Begleitung der seit 2013 im Bezirk entstehenden Einrichtungen für Geflüchtete, ihrer Bewohner_innen und Betreiber zeigen. Gerade bereiten wir mit dem Land Berlin den Aufbau eines Dualen Studiengangs für Sozialarbeiter_innen vor, da die Nachfrage nach gut ausgebildeten Absolvent_innen in unseren Fachämtern groß ist.“
Dagmar Pohle, Bezirksbürgermeisterin Marzahn-Hellersdorf
„Die ASH Berlin ist als sich erfolgreich entwickelnde Studien- und Forschungseinrichtung für Marzahn-Hellersdorf ein Standortfaktor von herausragender Bedeutung. Für den Marzahn-Hellersdorfer Wirtschaftskreis ist die langjährige Zusammenarbeit mit der Hochschule ein wichtiger Baustein, um Erfolgspotenziale aus der Kooperation von Wirtschaft und Wissenschaft sowie mit weiteren regionalen Partnern zu erschließen. Höherer Praxisbezug von Lehre und Forschung, Anwendung von Forschungsergebnissen und qualifizierte Fachkräfte für regionale Unternehmen der Gesundheits- und Sozialwirtschaft sind dabei nur einige Schwerpunkte.“
Dr. Klaus Teichmann, Geschäftsführer Marzahn-Hellersdorfer Wirtschaftskreis e. V.
„Seit Jahren engagieren sich die Alice Salomon Hochschule und ihre Studierenden in Marzahn-Hellersdorf unermüdlich gegen Rassismus und andere Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit. Mit neuen Ideen, nachhaltigen Projekten und als wichtiger Teil verschiedener Netzwerke ist die Hochschule eine unverzichtbare Partnerin für Politik und Zivilgesellschaft und ein progressiver Lernort für Studierende aus der ganzen Welt.“
Petra Pau, Vizepräsidentin des Deutschen Bundestags, Wahlkreis Marzahn-Hellersdorf
„Als langjährig in den Großsiedlungen Marzahn und Hellersdorf Tätige und Gründungsmitglied des Koopera- tionsforums konnte ich das zunächst sehr zarte Pflänz- chen der Zusammenarbeit zwischen Stadtbezirk und Hochschule begleiten und fördern – und freue mich jetzt über die ausgezeichneten Ergebnisse. Wie zum Beispiel das gemeinsam entwickelte Kinderforscher*zentrum HELLEUM, das nun um das Jugendforscher*zentrum erweitert wird. Für die Zukunft sehe ich viele Möglich- keiten für gemeinsame Projekte.
Dr. Elke Herden, Prokuristin S.T.E.R.N. Gesellschaft der behutsamen Stadterneuerung mbH
„In einer wachsenden Stadt, in der sich soziale Problem- lagen in einzelnen Quartieren und Stadtteilen immer deutlicher zeigen, sind wir aufgefordert, ein ausdifferen- ziertes und komplexer werdendes Leistungsspektrum zu entwickeln und anzubieten. Dabei stoßen wir manchmal an unsere Grenzen. Umso bedeutsamer werden Koope- rationen und Vernetzung, um zum Beispiel (Bildungs-) Potenziale zu aktivieren, Benachteiligungen und Entwick- lungshemmnisse abzubauen und die Start- und Teilhabe- chancen zu verbessern. Bewährte Ansätze und Strategien können so weiter oder auch neu gedacht werden. In diesem Bestreben hat sich die ASH Berlin zu einem stabi- len Partner entwickelt, der Prozesse nicht nur begleitet, sondern auch anregt, voranbringt und zu ihrem Gelingen aktiv beiträgt.“
Heiko Tille, Leiter des Jugendamtes Marzahn-Hellersdorf
„In der Praxis der Sozialen Arbeit brauchen wir einen Berufsnachwuchs, der nicht nur mit aktuellem Wissen, sondern vor allem auch mit klaren Haltungen von der Hochschule kommt. Diese Haltungen auszuprägen ist eine Aufgabe, welche die Hochschule nicht allein bewälti- gen kann. Dafür braucht sie die enge Vernetzung mit einer lebendigen und reflektierten Praxis im Gemeinwe- sen – eine Aufgabe, die für beide Seiten gerade in Zeiten heftiger gesellschaftlicher Auseinandersetzungen ein hoher Anspruch ist. Wir bei Gangway verfolgen insbeson- dere in der auf konkrete Teilhabe ausgerichteten Arbeit mit wohnungslosen Menschen eine sehr enge und hand- lungsorientierte Zusammenarbeit mit der ASH Berlin, die geprägt ist von Menschen, die auf Augenhöhe agieren und sich auf die Adressat_innen der Straßensozialarbeit wirklich einlassen.“
Elvira Berndt, Geschäftsführerin Gangway e. V. – Straßensozialarbeit in Berlin, Mitglied im Kuratorium der ASH Berlin
„Bürgerschaftliches Engagement, Stadtteilarbeit, Initiativen aus der Zivilgesellschaft und Wissenschaft: Die Vernetzung dieser Bereiche stärkt unsere Demo- kratie. Die Alice Salomon Hochschule fördert durch ihre Projekte und Forschungsvorhaben die transsektorale Zusammenarbeit. Der Bezirk Marzahn-Hellersdorf profitiert von diesem innovativen und auch konstruktiv- kritischen Ansatz, der Ausstrahlungskraft auf das gesamte Land Berlin hat.“
Anne Jeglinski, Paritätischer Wohlfahrtsverband, Landesverband Berlin e. V., Leiterin der Geschäftsstelle Bezirke, Mitglied im Kuratorium der ASH Berlin
Wir freuen uns über die aus den verschiedenen Perspektiven zum Ausdruck gebrachte Wertschätzung der Zusammenarbeit. Sie beflügelt für viele weitere gemeinsame Projekte und Kooperationen auf allen Ebenen.
Herzlichen Dank!
[1] Siehe alice 31 mit dem Schwerpunkt „alice solidarisch – Hochschule in gesellschaftlicher Verantwortung“
[2] Die Dokumentation des Projekts „Interfix“ ist online abrufbar auf dem Publikationsserver der ASH Berlin: https://opus4.kobv.de/opus4-ash/frontdoor/index/index/docId/165
[3] Zahlreiche weitere Beispiele sind im Internetportal „Unsere Wissenschafts-Praxis-Partnerschaften“ (www.ash-berlin.eu/wipps), in der alice 28 mit dem Schwerpunkt „Raus ins Leben“ sowie in den Handlungsempfehlungen des Campus-Gemeinwesen-Projekts P.F.o.r.t.E. dokumentiert (https://opus4.kobv.de/opus4-ash/frontdoor/deliver/index/docId/190/file/PFortE-Broschuere_Juni2017_Webversion.pdf)
[4] Das Engagement der Hochschule, ihrer Angehörigen und Kooperationspartner_innen wird bundesweit gewürdigt, vgl. z. B.: Website des Programms Campus und Gemeinwesen: http://www.campus-und-gemeinwesen.de/ und duz SPECIAL (2017): Kooperative Hochschule. Erfolgreiche Partnerschaften mit Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, Beilage zur duz – Deutsche Universitätszeitung, 23. Juni 2017, DUZ Verlags- und Medienhaus GmbH, S. 16–17; hrsg. von Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft und Heinz Nixdorf Stiftung.
(Dieser Beitrag erschien erstmals in der alice 36 im Wintersemester 2018/19.)