Die regelmäßig stattfindenden Hochschultage an der ASH Berlin dienen dem Austausch aller Studierenden, Dozierenden und Verwaltungsmitarbeiter_innen zu Themen, die für die Hochschule als besonders wichtig erachtet werden. Beim letzten Hochschultag am 7. November 2018 lag der Fokus auf den Idealen in den Bereichen Achtsamkeit, Diversity und Nachhaltigkeit und deren konkreter Umsetzung an der Hochschule.
Die Rektorin Prof. Dr. Bettina Völter eröffnete die Veranstaltung mit einer inhaltlichen Einführung in die drei Themenschwerpunkte. Sie hob den starken Zuwachs an Studierenden, Lehrenden und Verwaltungsmitarbeiter_innen hervor: Ein Plus von 43 Prozent in den grundständigen Studiengängen und ein Zuwachs von 30 Prozent insgesamt bis 2022. Die Rektorin argumentierte, dass sich aus dieser wachsenden Vielfalt auch eine große Verantwortung ergebe. Diese liege vor allem darin, Bereitschaft zu Veränderung zu zeigen: „Wir sind in Bewegung – das finde ich spannend!“ Dabei geht es laut Völter nicht nur darum, neue Aufgaben und Kommunikationsformen zu erkennen, sondern auch dem Bewährten wieder neuen Glanz zu verleihen. Gemäß dem Schlagwort „Ungleichzeitigkeit des Gleichzeitigen“ sollen verschiedene Tempi für die Umsetzung der einzelnen Projekte zugelassen werden. Außerdem sei das Bewusstsein für das große Ganze wichtig: Neben der Gesundheit des eigenen Körpers und der eigenen Seele sei es auch nötig, sich mit diesen Thematiken auf gesellschaftlicher Ebene zu befassen.
Achtsamkeit – ein Megatrend auch an der Hochschule?
Im Anschluss an die Einführung von Prof. Dr. Völter gaben drei Expert_innenvorträge einen Überblick über die einzelnen Themenschwerpunkte. Den Anfang machte Günter Hudasch, der seit langem Achtsamkeitstrainings organisiert und unterrichtet. Hudasch sprach über die achtsame Hochschule in der digitalen Gesellschaft und qualifizierte Achtsamkeit als einen „Megatrend“. Er identifizierte Achtsamkeit im Sinne einer Kulturkompetenz als die Konzentration auf sinnliche Erfahrung, ohne auf diese zu reagieren. Hudasch erläuterte, dass die menschliche Wahrnehmung, beispielsweise durch Routinen, oft verzerrt sei. Daher sei es auf persönlicher, aber auch auf politischer Ebene sehr wichtig, achtsam zu sein, um zum Beispiel positive und negative Perspektiven wahrzunehmen, statt zu polarisieren. „Angst schaltet das Denken aus“, argumentierte er, „doch Unsicherheit kann kreative Kraft bringen.“ Hudasch plädierte dafür, das Thema Achtsamkeit mehr in die Hochschullandschaft einzubringen, da es einerseits ein großes Forschungsfeld sei, andererseits als „Geistestraining für Kopfarbeiter“ konkrete Anwendung fände. Einige Male verwies er auf die englischen Universitäten, an denen es bereits Kurse für Achtsamkeit gibt.
Diversity-Konzept braucht direkten Input aus der Hochschule
Den zweiten Vortrag hielt Prof. Dr. Barbara Schäuble, Vorsitzende der noch jungen Diversity Kommission der ASH Berlin. Sie wies darauf hin, dass der Umgang mit Diversity keine neue Thematik an der Hochschule sei, es aber an einem Gesamtkonzept mangele, das den drängenden Fragen in diesem Bereich gerecht werde. Dabei käme es vor allem darauf an, die Barrieren zu senken und so die Entfaltungsmöglichkeiten zu steigern. „Wir sind sehr scharf auf den Input aus der Hochschule“, erklärte Schäuble. Bei Diversity gehe es auch darum, wie die Hochschule gesehen werde und was man mit ihr verbinde. Für ein effektives Diversity-Konzept stellt sich die Professorin Vereinbarungen vor, die in einem festen Zeitrahmen, möglicherweise bis 2020, erfüllt werden.
Nachhaltigkeit erfordert transdisziplinäre Forschung
Im dritten Vortrag sprach Dr. Mandy Singer-Brodowski von der FU Berlin zum Thema Hochschule und Nachhaltigkeit. Sie stellte gleich zu Anfang klar, dass alle Länder einen Entwicklungsbedarf in punkto Nachhaltigkeit haben. In dem Prozess hin zu einer nachhaltigeren Gesellschaft identifizierte Singer-Brodowski zum einen die Akteur_innen, die zum Teil „auf Nischenniveau“ agieren, zum anderen die Wissenschaft, die ebenfalls Einfluss auf die Gesellschaft nimmt. Da letztere aber in verschiedene Disziplinen mit spezifischer Eigenlogik unterteilt ist, verhindere dies, komplexe Nachhaltigkeitsthematiken wie zum Beispiel den Klimawandel richtig anzugehen. Singer-Brodowski forderte daher eine transdisziplinäre Forschung, die auch die außerhochschulischen Akteur_innen von Beginn an in den Forschungsprozess einbeziehe.
Ergänzend zu dieser Einführung in die Thematik Nachhaltigkeit kamen zwei Mitglieder der studentischen Initiative TrASHform zu Wort, die mit der AG Nachhaltigkeit an der ASH Berlin zusammenarbeiten. Mit Verweis auf die ökologische Dimension der sozialen Arbeit unterstrichen sie die Wichtigkeit des Themas an einer SAGE-Hochschule. Aus der Perspektive der Sozialen Arbeit hätte die studentische Initiative den Vorteil, marginale beziehungsweise vulnerable Gruppen einbeziehen zu können. Frau Singer-Brodowski hob in diesem Zusammenhang noch einmal hervor, dass Studierende eine wichtige pressure group seien, aber dass neben dem bottom up-Ansatz nichtsdestotrotz ein topdown-Modell vonnöten sei: Die Hochschule müsse eigene Strukturen entwickeln, um dem Thema Nachhaltigkeit gerecht zu werden.
Drängende Fragen, praktische Vorschläge, zukunftsweisende Ideen
Einige anschließende Redebeiträge aus dem Publikum ließen schnell klar werden, dass viele konkrete Fragen von Seiten der Hochschulangehörigen bestanden. Am Nachmittag konnten sich alle Teilnehmenden für einen Workshop zum Thema ihrer Wahl entscheiden. Die Ergebnisse der drei Arbeitsgruppen wurden ab 15 Uhr in einer abschließenden Diskussion zusammengetragen.
Im Workshop „Achtsam jeden Tag – Gegenwart an der ASH Berlin gestalten“ wurde das Spannungsfeld Achtsamkeit zwischen Idealvorstellung und gegenwärtiger Realität genau unter die Lupe genommen. Vorgeschlagen wurden mehr Räume für Begegnungen, themenrelevante Workshops im Hochschulalltag sowie eine generelle Reduzierung des Tempos an der Hochschule. Die Vertreter_innen der Gruppe wiesen nochmals darauf hin, dass Achtsamkeit von der Selbsterkenntnis zu einem veränderten Handeln jeder_s Einzelnen führe und daher viele Themen miteinander verbinde. Um die Ideen und Vorschläge der Teilnehmenden zu konkretisieren und an der ASH Berlin einzubringen, wurde ein E-Mail-Verteiler gegründet, in den sich alle Interessierten eintragen können (hier eintragen).
Die Teilnehmer_innen des Workshops „Work in Progress: Vorstellung und öffentliche Beratung der Diversity-Kommission“ berichteten von ihrem Austausch zu Leerstellen und Stolpersteinen bei der Erarbeitung eines hochschuleigenen Diversity-Konzepts. Leerstellen sahen die Teilnehmenden vor allem darin, dass ein Diversity-sensibles Mentoring für neue Studierende fehle. Weiterhin wünschten sie sich, Fälle von Diskriminierung zu sammeln und Strategien zu erarbeiten, wie in konkreten Fällen reagiert und auch sanktioniert werden könne. Stolpersteine, also mögliche Hemmnisse für die Diversity-Kommission, wurden hauptsächlich in der Organisation erkannt, zum Beispiel darin, das fertige Konzept auch wirklich in allen Bereichen der Hochschule umzusetzen.
Aus der Workshopgruppe „Wir SAGEN Nachhaltigkeit“ kamen Vorschläge zur Einrichtung eines Nachhaltigkeitsbüros, eines Hochschulgartens und von Pflichtkursen zum Thema Nachhaltigkeit. Positiv bewertet wurden einige bestehende Nachhaltigkeitsinitiativen an der Hochschule, wie etwa die Kampagne gegen Pappbecher oder das vegane und vegetarische Mensaessen. Dennoch sahen die Teilnehmenden beim Mensaessen wie auch bei der Mülltrennung Optimierungsbedarf. Die große Frage sei, wie die Digitalisierung mit der Nachhaltigkeit in Einklang gebracht werden könne.
Die Rektorin Frau Völter begrüßte die konkreten Vorschläge aus den drei Workshopgruppen und wies darauf hin, dass die drei Themenschwerpunkte des Hochschultages auch bei der Entwicklung der Curricula neuer Studiengänge berücksichtigt werden sollen. Außerdem betonte sie die transdisziplinäre Natur der drei Themenschwerpunkte. „Vieles fließt ineinander, ist verschränkt zu denken. Wir sollten in Zukunft gucken: Wo sind die Berührungspunkte?“ Am Ende des Hochschultages war nicht nur der Rektorin bewusst, dass Achtsamkeit, Diversity und Nachhaltigkeit drei akute Problematiken sind. „Diese Themen drängen. Wir brauchen sie!“, betonte Völter. „Aber wir müssen sie umsichtig bearbeiten, mit Pausen und Selbstreflexion.“