Campus Transferale steht wie viele Initiativen an der ASH Berlin für Aufbruch und Weiterentwicklung. In diesem Projekt der 2. Förderlinie „Innovative Hochschule“ des BMBF soll der Prozess der ASH Berlin auf dem Weg zu einem transferorientierten Bildungscampus erforscht und gestaltet werden: Impulse aus dem Sozialraum können sich hier nachhaltig mit den sich wandelnden Strukturen an der Hochschule verbinden. In diesem Artikel stellt sich das Team des Transfer_Hub in einem Interviewgespräch vor, das Susanna Eder mit ihrer Kollegin Anja Hermann begonnen hat. Ihre Kolleg_innen Adam Page, Elène Misbach, Olaf Neumann und Bianca Dreyer sind miteingestiegen, sodass der Text Einblick in wechselseitige Reflektionsprozesse zum Projekt gibt.
Susanna: Liebe Anja, du bist wie ich seit Februar Teil des Transfer_Hub und die wissenschaftliche Koordinatorin im Team. Da unser Vorhaben bereits in der letzten alice vorgestellt wurde, meine erste Frage an dich: Wie würdest du jemandem, den du an der ASH Berlin im Aufzug triffst, in drei Sätzen den Transfer_Hub erklären?
Anja: Die ASH Berlin hat ein Forscher_innenteam dazugewonnen, das zwischen Hochschule und Sozialraum in den kommenden 5 Jahren einen temporären Netzwerkknoten aufbaut und betreibt. Vom Boulevard Kastanienallee aus erforschen und befördern wir Transfer, Kooperation, Ko-Kreation und wechselseitiges Von- und Miteinander Lernen. Wie wir diese Begriffe am besten füllen, dazu werden wir gemeinsam mit Menschen außerhalb und innerhalb der Hochschule experimentieren.
Susanna: Wenn du von „wir“ sprichst, wer steckt da alles dahinter?
Anja: Unsere Projektstruktur ist tatsächlich etwas komplex, das liegt daran, dass wir als Netzwerk forschen und agieren. Schon bei der Antragstellung wurden Kooperationspartner_innen einbezogen, denn nur so funktioniert zukunftsorientierter Transfer. Auch sie sind Teil des „wir“. Für die Kommunikation mit der Hochschule und in die Hochschule hinein stehen die Professor_innen in den Leitungsfunktionen sowie die Transferreferentin.
Neben den zwei bereits geplanten Pilotprojekten „Zwischenräume“ und „Community Spaces“ können weitere folgen, die dann natürlich Teil dieses „wir“ werden. Auch das zweite Teilprojekt, die Servicestelle Partizipative Forschung, wird sich in einer der folgenden alice-Ausgaben ausführlich vorstellen.
Susanna: Einige von uns sind ja noch neu an der ASH Berlin und im Stadtteil – was fällt auf, was sind bereits relevante Erkenntnisse?
Hellersdorf ist ein Bezirk, der mit vielen Zuschreibungen lebt. Doch der Stadtteil ist um Längen vielfältiger als die kursierenden Klischees. Gleich vom ersten Tag an hat uns Adam vom Kunstverein nGbK, der mit der „station urbaner kulturen“ seit vielen Jahren in Hellersdorf wirkt, eingeladen, diese Vielfältigkeit zu entdecken. Er hat mit der nGbK das Buch „Die Pampa lebt. Hellersdorf als Großwohnsiedlung gestern, heute und morgen“ veröffentlicht, das uns ermöglicht, Schritt für Schritt in die vielfältigen Positionen im Bezirk einzutauchen. Adam ist mit dem Pilotprojekt „Zwischenräume“ Teil des Transfer_Hub. Auch Fachliteratur, z. B. vom Soziologen Steffen Mau über die Großraumsiedlung Lütten Klein am Rande von Rostock, die gewisse Ähnlichkeiten zu Hellersdorf hat, eröffnet uns, den Stadtteil und seine Bewohner_innen besser zu begreifen. Mau (2020) diagnostiziert eine frakturierte Gesellschaft, wenn er über das „Leben in der ostdeutschen Transformationsgesellschaft“ schreibt. Auch in Hellersdorf bestehen diese Frakturen. Er betont, dass er mit seiner Studie zwar eine Diagnose gestellt hat, nicht aber Empfehlungen zum Umgang gibt. Für den Transfer_Hub an der ASH Berlin – einer Hochschule für angewandte Wissenschaften im SAGE Bereich – ist das eine Steilvorlage.
Susanna: Warum braucht es einen Transfer_Hub an der ASH Berlin?
Anja: Die Hochschule wächst und platzt aus allen Nähten. Der Neubau am Kokoschkaplatz liegt im Zeitplan. Dabei die Helle Mitte neu zu beleben ist vielen ein Anliegen. Ausgehend von bestehenden Kooperationen soll also ein Bildungscampus der Zukunft entstehen, der auf nachhaltigen Transfer hin ausgerichtet ist und von dem die Anwohner_innen immanenter Teil sind. Dieser Prozess wird im Transfer_Hub begleitet und beforscht. Es werden neue Formate entstehen und getestet. Damit nimmt die ASH Berlin als innovative Hochschule ihren gesellschaftlichen Auftrag wahr: sich weiter zu öffnen und ein sichtbarer und anschlussfähiger Teil des sie umgebenden Ökosystems zu werden. Studierende lernen im Austausch mit ihrer Umgebung, mit den Bewohner_innen des Stadtteils, mit den Kooperationspartnern vor Ort – und darüber hinaus. Es geht darum, gemeinsam Ideen für eine nachhaltige Zukunft zu erarbeiten, neue Narrative zu entwickeln, die in die Welt getragen werden können. Dabei ist es die Rolle des Transfer_Hub, analog sowie digital zu denken und zu handeln, um auch über die ASH Berlin und den Stadtteil hinaus blicken zu können.
Susanna: Wie könnte diese Belebung und wechselseitige Bereicherung von Campus und Stadtteil denn konkret aussehen? Vielleicht kannst du, Adam, verantwortlich für das Pilotprojekt „Zwischenräume“, dazu etwas sagen?
Adam: Ziel ist es, die Erfahrungswelten der ASH Berlin und die der Bewohner_innen des Stadtteils in einen Dialog zu bringen. Wir wollen sie als eine kollektive Ressource für den Standort denken und für eine nachhaltige Belebung von Campus und Stadtteil einsetzen. In Formaten wie Ausstellungen oder Filmabenden möchte „Zwischenräume“ die gesellschaftlichen Transformationen im Stadtteil ins Verhältnis zu denen an der ASH Berlin setzen. Übergreifend wird es dabei um zwei Themen gehen: Bildungs- und Gestaltungsgerechtigkeit. All diese Formate, Interaktionen und Prozesse werden beforscht, die Erkenntnisse können wieder zurück in den Transfer_Hub wirken. Über „Community Spaces“ wird die wissenschaftliche Mitarbeiterin, Miriam Pieschke, dann in einer der nächsten alice-Ausgaben berichten.
Susanna: Und wie können andere Mitarbeiter_innen der ASH Berlin Teil des Transfer_Hub werden?
Anja: So ein Projekt lebt davon, dass es sich gemeinsam entwickelt. Unsere Türen stehen – symbolisch gesprochen – offen.
Elène: Wir werden auch jährlich ein Transferfestival Transferale organisieren, das im öffentlichen Raum stattfindet und zu einem fachlichen und zugleich Erfolge feiernden Dialog einlädt. Dabei sind explizit Studierende, Kooperationspartner_innen und Anwohner_innen als Beteiligte und (Mit-)Macher_innen adressiert.
Adam: „Zwischenräume“ soll außerdem von einem Anwohner_innenbeirat begleitet werden. Dafür suchen wir Bewohner_innen von Hellersdorf, die eine Annäherung von Campus und Stadtteil unterstützen möchten. Auch hier sind im Stadtteil Wohnende, Studierende der ASH Berlin sowie Mitarbeitende besonders gefragt.
Susanna: Würdest du dir denn schon zutrauen, eine Art Vision zu formulieren? Was wollen wir nach 5 Jahren geschafft haben?
Anja: Der Transfer_Hub ist eine Reisebegleitung auf Zeit. Wir arbeiten in den fünf Jahren an unserer eigenen Abschaffung. Bei Projektende wollen wir es geschafft haben, dass Transfer analog und digital sichtbarer und anschlussfähiger geworden ist und an der ASH Berlin zukunftsorientiert gelebt wird. Wir wollen erreicht haben, dass ergebnisoffene Experimente, räumlich und inhaltlich, das Verständnis von Transfer an der ASH Berlin, im Stadtteil und darüber hinaus bereichert, belebt und nachhaltig beeinflusst haben.
Literatur: Mau, S. (2020), Lütten Klein. Leben in der ostdeutschen Transformationsgesellschaft. Berlin: Suhrkamp Taschenbuch Verlag.
Kurzinformation:
Team Transfer_Hub
Café Interfix, Stollberger Straße 63 (auf dem Boulevard Kastanienallee)
Kontakt: transfer_hub@ ash-berlin.eu