Engagement für Geflüchtete alice solidarisch

Die Hochschulleitung positioniert sich

Ein Banner an der Fassade der ASH Berlin mit der Aufschrift: Solidarität mit Geflüchteten Gemeinsam Rassismus entschieden entgegentreten
Ein Banner an der Fassade der ASH Berlin

Unter dem Stichwort „alice solidarisch“ hat die ASH Berlin seit dem Wintersemester 2015/16 ihr Engagement für die Verbesserung der Lebensbedingungen und die Inklusion von Menschen auf der Flucht vor Krieg, Terror und Not ganz bewusst intensiviert. Sie ist gleichermaßen deutlich für die Einhaltung von Standards in der Flüchtlingsarbeit, die Weiterbildung und den Einsatz von Fachkräften unter angemessenen Arbeitsbedingungen, die Behebung des Fachkräftemangels sowie gegen Gewalt, Ausgrenzung und Rassismus in unserer Gesellschaft eingetreten.

alice solidarisch – Entstehung und Zielsetzungen

Wir möchten als Hochschulleitung dafür danken, dass so viele Mitarbeitende, Lehrende und Studierende unserem Aufruf  im Herbst 2015 gefolgt sind. Sie haben sich auf dem Hochschultag, im Verlauf des Semesters, vor, in und nach der Fokuswoche Mitte Januar 2016 sowie im Rahmen dieser alice-Ausgabe hervorragend eingebracht. Darüber hinaus sind eine Reihe von Eigeninitiativen entwickelt worden, die das Profil unseres Engagements bereichern.

Das Motto „alice solidarisch“ ist auf der Suche nach einem kurzen Begriff zur Webseiten-Verlinkung des Aufrufs der Hochschulleitung im Oktober 2015 relativ spontan entstanden. Wir haben uns dabei an „alice macht schule“, „alice gesund“ u. a. angelehnt und fanden, dass das Engagement der ASH Berlin durchaus in der Tradition unserer Gründerin steht. Bisher gehören u. a. die nachfolgend aufgelisteten Aktivitäten dazu:

  • Die Präsenz der ASH Berlin in der Unterkunft für Asylsuchende (Maxie-Wander-Straße) seit Sommer 2013. Darin inbegriffen sind: Lehrveranstaltungen in einem Raum, den die ASH Berlin für ihre Zwecke nutzen kann, die Arbeit von Praktikantinnen und Praktikanten sowie Studierenden in der Feldstudienphase, Angebote für die Bewohner/-innen sowie die Überprüfung der Lebens- und Arbeitsbedingungen in der Unterkunft („critical monitoring“) mit den entsprechenden Rückspiegelungen und Forderungen an die Heimleitung, den Betreiber sowie das LAGeSo, die Bezirks- und die Senatsverwaltung, wenn die Standards konsequent unterlaufen werden.

  • Die Einrichtung eines Koordinationskreises unter der Leitung der Prorektorin für Kooperationen sowie die Aufstockung der Stellen von zwei Wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen (Elène Misbach und Silvia Oitner) zur Arbeit für alice solidarisch (vgl. Organigramm unter alice solidarisch auf der Homepage).

  • Den Aufruf der Hochschulleitung zu einem „Mobilen Semester“, die Hochschultage im WS 2015/16 sowie im SoSe 2016, die Fokuswoche vom 16.–23. Januar 2016.

  • Den Aufbau des Ladenlokals LaLoka und des Cafés Interfix sowie weitere zahllose Einzelinitiativen von ASH-Angehörigen gemeinsam mit Menschen in Unterkünften, mit Flüchtlingsinitiativen, mit der Berliner Bevölkerung oder mit Fachorganisationen.

  • Die Entwicklung und Verbreitung von bundesweit und hochschulübergreifend abgestimmten Standards für die Flüchtlingssozialarbeit.

  • Die Planung eines Gewaltschutzkonzeptes sowie eines Beschwerdemanagements in den Unterkünften von Marzahn-Hellersdorf, gemeinsam mit der Stadträtin für Gesundheit und Soziales, Dagmar Pohle, und der Frauenbeauftragten des Bezirks, Maja Löffler.

  • Das erheblich erweiterte Programm des Zentrums für Weiterbildung der ASH Berlin zu Flucht, Asyl, Ehrenamt, diversitätsbewusster Bildungsarbeit, Anerkennungskultur und Vieles andere mehr

  • Die Aufnahme von Gasthörenden mit Fluchterfahrungen ins Studium sowie die Arbeit eines Steuerkreises an der Entwicklung eines Pilotprojekts zur Aufnahme von Menschen mit Fluchterfahrung ins Studium

  • Die Anti-Rassismus-Arbeit von Angehörigen der ASH Berlin und die antirassistische Registerstelle der ASH Berlin.

  • Die Beschäftigung von Hochschulangehörigen mit den Fluchtursachen und der Situation in anderen europäischen Ländern.

  • Die Einrichtung von Deutschkursen: in der Unterkunft, im Café Interfix sowie gemeinsam mit der Volkshochschule des Bezirks. Letztere sind orientiert an den Ideen von Paulo Freire und beinhalten eine alltagsnahe Vermittlung von Sprache, die Orientierung in der Stadt sowie ein Empowerment der Teilnehmenden.

  • Die Teilnahme des Alice Salomon Archivs an der Langen Nacht der Wissenschaften am 11. Juni 2016 von 17–24 Uhr. Unter dem Motto „Weg! Geschichte(n) von Flucht und Zuflucht“ werden interaktive Angebote gemacht und u. a. auch Lebensgeschichten von damals und heute zu hören sein.

Hochschulzugang für Geflüchtete

Die Hochschulleitung sieht die Aufgabe der ASH Berlin zum einen darin, Menschen mit Fluchterfahrungen ins Studium aufzunehmen. Es gilt aber darüber hinaus auch, sich mit Fachexpertise und als große Bildungsinstitution in den gesellschaftlichen Dialog einzumischen und die Diskurse mitzubestimmen. Uns ist dabei wichtig, Menschenrechte, Menschenwürde und Menschlichkeit einzufordern, diese selbst einzuhalten und wo immer möglich aktiv herzustellen. Insbesondere sehen wir es als Aufgabe der Hochschule an, die Entwicklung ihrer Disziplinen und Professionen unter den sich verändernden gesellschaftlichen Bedingungen maßgeblich mitzugestalten.

Menschen mit Fluchterfahrungen steht der Hochschulzugang an der ASH Berlin nach unseren Möglichkeiten offen. Die Hochschule bietet ein besonderes Studienprofil in den Bereichen der Sozialen Arbeit, der Gesundheitsberufe, der frühen Erziehung und sie bietet spezielle Weiterbildungsmöglichkeiten und Weiterbildungsstudiengänge. Menschen mit Fluchterfahrungen sind uns mit unseren Studien- und Bildungsangeboten besonders willkommen! 

Studierende mit Fluchterfahrungen können als Gasthörer/-innen an Lehrveranstaltungen der ASH Berlin teilnehmen

Wenn eine Hochschulzugangsberechtigung und auch bisher erbrachte Hochschulleistungen fluchtbedingt nicht nachgewiesen werden können, werden ersatzweise und nachträgliche Feststellungsmöglichkeiten der Qualifikation nach Standards der Kultusministerkonferenz ermöglicht. Spracherwerb und Anschlussfähigkeit im Studium werden zudem in Studienkollegs vermittelt. Bei der Zulassung in unsere grundständigen Studiengänge können Vorabquoten genutzt werden. Unsere englischsprachigen Weiterbildungsmasterstudiengänge halten für qualifizierte Studienbewerber/-innen mit Fluchthintergrund kostenfreie und u. a. durch den DAAD vollständig finanzierte Studienplätze bereit. Die Finanzierung des Lebensunterhaltes während eines Studiums kann zudem in den üblichen Bahnen erfolgen. Geflüchtete mit einem Aufenthaltsstatus erhalten nach 15 Monaten Aufenthalt Anrecht auf Ausbildungsbeihilfe nach dem BAföG. Sie können sich des Weiteren um Stipendien der Begabtenförderungswerke und um weitere finanzielle Fördermöglichkeiten bewerben. Im Vorfeld der Aufnahme in ein reguläres Studienangebot der ASH Berlin besteht für die Menschen mit Fluchterfahrungen die Möglichkeit, als Gasthörer/-innen ohne weitere Voraussetzungen kostenfrei an unseren Modullehrveranstaltungen in den einzelnen Studiengängen teilzunehmen. Studierende mit Fluchterfahrungen können als Gasthörer/-innen auch Prüfungen ablegen und sich ihre Studienleistungen nach Aufnahme eines Studiums an der ASH Berlin dafür anrechnen lassen. Gute Schritte sind so ins und im Studium vorgegeben.

Die konkrete Umsetzung all dieser sehr wünschenswerten Möglichkeiten bedeutet jedoch gleichzeitig eine nicht unerhebliche Belastung auch im administrativen Bereich der Hochschule, die bisher leider (noch) nicht hinreichend personell abgesichert werden konnte. Hier sind also zügig Verbindlichkeiten – insbesondere seitens des Landes – zu schaffen, um nicht dauerhaft zusätzliche Kapazitäten zu verbrauchen. Ohne – auch personellen – Mehrbedarf wird sich eine derart komplexe neue Aufgabe an der Hochschule kaum angemessen bewältigen lassen. 

Hochschulpolitische Herausforderungen

Alle benannten Aktivitäten lassen sich unter dem Begriff „Third Mission“ subsumieren. Gerade im Bereich der Integration von Menschen mit Fluchterfahrung leisten die Hochschulen anerkanntermaßen einen wichtigen und relevanten Beitrag. Gebremst wird ein solches Engagement jedoch durch die unzureichende Finanzierung der Hochschulen, die sich bislang an sogenannten Leistungsparametern im Bereich von Forschung und Lehre orientiert. Dieser Faktor beschränkt mögliche weitere Aktivitäten stark. 

Die bisher seitens des Landes Berlin an die Hochschulen geflossenen Mittel reichen nicht aus, um diese zusätzlichen Aufgaben dauerhaft abzusichern. Die finanziellen Unterstützungen sind zudem – jedenfalls bisher – zu stark auf primäre Maßnahmen beschränkt (z. B. Sprachkurse, Gasthörerschaft). Dagegen konnten für ASH-Angebote zur speziellen Weiterbildung der in den Flüchtlingseinrichtungen tätigen Sozialarbeiter/-innen bisher keine zusätzlichen Finanzmittel des Landes eingeworben werden. 

"Der von uns geleistete Beitrag zur Inklusion kann nicht hoch genug geschätzt werden."

Auch vor diesem Hintergrund haben sich die Rektoren der drei SAGE-Hochschulen in Berlin mit einem Brief an die zuständige Senatorin gewandt. Wesentlicher Inhalt ist die Forderung, dem nun wachsenden Fachkräftebedarf im Bereich der Sozialen Arbeit, der frühkindlichen Bildung und der Gesundheit durch zusätzliche Studien- und Weiterbildungsangebote – die selbstverständlich zu finanzieren sind – entgegenzutreten. Hier müssen auch neue Bildungskonzepte entwickelt werden, um mehr Menschen mit Fluchterfahrung zu erreichen und diese in die Planungen einzubeziehen. Im Bereich der Digitalisierung findet momentan ein enormer Aufwuchs an universitären Kapazitäten statt, die von uns zu vertretenden Bereiche stehen derzeit noch nicht im Fokus der Betrachtung. Stattdessen werden Angebote für Quereinsteiger beworben, was eine Absenkung der Qualifizierung sozialer Berufe bedeutet.

Erst langsam scheint hier ein Umdenken in der zuständigen Senatsverwaltung stattgefunden zu haben, sodass die ASH Berlin gebeten wurde, die Bedarfe im Bereich Aus- und Weiterbildung erneut geltend zu machen.

Somit muss neben dem gezeigten – erfreulichen – Engagement aller Mitgliedergruppen auch auf politischer Ebene für eine Anerkennung unserer Aktivitäten geworben werden und die Stärkung sozialer Berufe mit der einhergehenden Anerkennung der geleisteten Arbeit vorangebracht werden. Der von uns geleistete Beitrag zur Inklusion kann nicht hoch genug geschätzt werden. 

 

Prof. Dr. Uwe Bettig (Rektor)
Andres Flegl (Kanzler)
Prof. Dr. Nils Lehmann-Franßen (Prorektor)
Prof. Dr. Bettina Völter (Prorektorin)
rektorat@ avoid-unrequested-mailsash-berlin.eu